Es ist ein ganz normaler Nachmittag. Dein Kind bockt, weil es unbedingt dieses eine Spielzeug im Laden haben will. Es stellt unangebrachte Fragen, die dich am liebsten im Erdboden versinken lassen würden. Und zu Hause? Ein Schlachtfeld aus Spielzeug und Klamotten. Klingt anstrengend? Absolut! Aber was, wenn ich dir sage, dass genau diese vermeintlich negativen Eigenschaften in Wahrheit Superkräfte sind, die dein Kind später im Leben unglaublich weit bringen werden?
Wenn „schwierig“ eigentlich „stark“ bedeutet
Elternsein ist ein Marathon, kein Sprint. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle, eine endlose Geduldsprobe. Und ja, manchmal möchte man einfach nur die Nerven bewahren, wenn das Kind gefühlt zum tausendsten Mal „Warum?“ fragt oder sich weigert, die Zähne zu putzen. Aber genau in diesen Momenten, in denen wir an unsere Grenzen stoßen, sollten wir einen Schritt zurücktreten und das große Ganze betrachten. Denn hinter jedem Trotzanfall, jeder frechen Antwort und jedem unaufgeräumten Zimmer verbirgt sich ein Potenzial, das wir unbedingt fördern sollten.
Wir neigen oft dazu, Kinder in eine bestimmte Form pressen zu wollen, ihnen Verhaltensweisen abzugewöhnen, die uns unangenehm sind. Aber was, wenn wir damit genau das Gegenteil von dem erreichen, was wir eigentlich wollen? Was, wenn wir ihnen ihre Stärken nehmen, ihre Persönlichkeit unterdrücken und sie zu angepassten, aber unglücklichen Erwachsenen machen?
Denk mal darüber nach: War es nicht gerade deine Hartnäckigkeit, die dich im Job weitergebracht hat? War es nicht deine Kreativität, die dir geholfen hat, schwierige Probleme zu lösen? Und war es nicht dein Mut, Risiken einzugehen, der dich zu neuen Ufern geführt hat? Genau diese Eigenschaften, die wir an uns selbst schätzen, sollten wir auch bei unseren Kindern fördern – auch wenn es manchmal anstrengend ist.
Die goldene Regel dabei ist: Es geht nicht darum, jedes Verhalten kritiklos durchzuwinken. Natürlich müssen Kinder lernen, Regeln zu befolgen und Rücksicht auf andere zu nehmen. Aber es geht darum, die Balance zu finden zwischen notwendiger Erziehung und dem Raum, den Kinder brauchen, um ihre Persönlichkeit zu entfalten. Es geht darum, ihre Stärken zu erkennen und sie dabei zu unterstützen, diese zu nutzen und weiterzuentwickeln.
Die Scham der Eltern vs. die Freiheit der Kinder
Viele Eltern kennen das Gefühl: Das Kind benimmt sich „daneben“ und man schämt sich in Grund und Boden. Es klettert auf einen Baum, der viel zu hoch erscheint, es fragt im Restaurant lautstark, warum der Mann am Nachbartisch so eine komische Nase hat, oder es verkündet beim Familienbesuch, dass Tante Erna ein „dickes Bäuchlein“ hat. In solchen Momenten möchten wir am liebsten im Erdboden versinken und dem Kind am liebsten den Mund verbieten. Aber warum eigentlich?
Oft geht es dabei weniger um das Kind selbst, sondern vielmehr um unser eigenes Schamgefühl. Wir haben Angst, was die anderen denken könnten, wollen nicht auffallen oder negativ bewertet werden. Und so versuchen wir, das Verhalten unserer Kinder zu regulieren, sie in eine Form zu pressen, die unseren eigenen Vorstellungen entspricht. Aber damit nehmen wir ihnen oft die Möglichkeit, authentisch zu sein, ihre eigene Meinung zu äußern und die Welt unvoreingenommen zu entdecken. Wir übertragen unsere eigenen Ängste und Unsicherheiten auf sie und hindern sie daran, selbstbewusste und selbstständige Persönlichkeiten zu werden.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass unsere Kinder nicht dazu da sind, unser eigenes Ego zu befriedigen oder unsere eigenen Unsicherheiten zu kompensieren. Sie sind eigenständige Individuen mit eigenen Bedürfnissen, Wünschen und Träumen. Und es ist unsere Aufgabe als Eltern, sie dabei zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden – auch wenn dieser manchmal unbequem oder anders ist, als wir es uns vorgestellt haben. Denk daran: Die Scham der Eltern sollte niemals die Freiheit der Kinder einschränken!
Die größte Herausforderung in der Erziehung besteht darin, die Balance zu finden zwischen notwendiger Führung und dem Raum, den Kinder brauchen, um ihre Persönlichkeit zu entfalten.
7 vermeintliche „Problem-Eigenschaften“, die in Wahrheit Superkräfte sind
Welche Eigenschaften sind es nun aber konkret, die wir unseren Kindern nicht abgewöhnen sollten? Hier sind sieben Beispiele, die aufzeigen, wie vermeintliche „Problem-Eigenschaften“ sich im späteren Leben als echte Superkräfte entpuppen können:
- Kreativität: Kinder haben eine unbändige Fantasie. Sie erschaffen aus dem Nichts ganze Welten, erfinden die verrücktesten Geschichten und basteln die tollsten Dinge. Natürlich kann das manchmal im Chaos enden, wenn das Kinderzimmer aussieht wie ein Schlachtfeld. Aber anstatt sie zum Aufräumen zu zwingen und ihnen zu sagen, dass sie „realistisch“ sein sollen, sollten wir ihre Kreativität fördern und ihnen den Raum geben, sich auszuleben. Denn genau diese Fähigkeit, um die Ecke zu denken, Probleme kreativ zu lösen und neue Ideen zu entwickeln, wird ihnen später im Leben unglaublich helfen. Kreativität ist der Treibstoff für Innovation und Fortschritt.
- Unabhängigkeit: Kinder wollen die Welt auf eigene Faust entdecken. Sie wollen sich alleine anziehen, ihr Brot selbst schmieren und ohne Hilfe Fahrrad fahren lernen. Das kostet Zeit, Nerven und manchmal auch ein paar blaue Flecken. Aber es ist wichtig, ihnen diese Unabhängigkeit zu gewähren, auch wenn es schwerfällt. Denn jedes Mal, wenn sie etwas alleine schaffen, stärken sie ihr Selbstbewusstsein und lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Und genau diese Fähigkeit, selbstständig zu denken und zu handeln, ist im Erwachsenenalter von unschätzbarem Wert.
- Risikobereitschaft: Kinder sind mutig und neugierig. Sie klettern auf Bäume, springen von Mauern und probieren neue Dinge aus, ohne lange darüber nachzudenken. Wir Erwachsenen sind oft zu vorsichtig und bremsen sie aus Angst vor Verletzungen aus. Aber es ist wichtig, dass Kinder lernen, Risiken einzuschätzen und mit ihnen umzugehen. Denn nur so können sie ihre Grenzen erweitern, neue Erfahrungen sammeln und über sich hinauswachsen. Natürlich müssen wir sie vor gefährlichen Situationen schützen, aber wir sollten ihnen auch den Raum geben, ihre eigene Risikobereitschaft zu entwickeln.
- Ehrlichkeit: Kinder sagen oft, was sie denken, ohne Rücksicht auf Verluste. Das kann manchmal unangenehm sein, wenn sie die Wahrheit aussprechen, die wir lieber verschweigen würden. Aber anstatt sie dafür zu bestrafen, sollten wir ihre Ehrlichkeit wertschätzen. Denn Ehrlichkeit ist die Grundlage für Vertrauen und Respekt. Und genau diese Fähigkeit, ehrlich und authentisch zu sein, wird ihnen im Leben viele Türen öffnen. Natürlich müssen Kinder lernen, ihre Meinung respektvoll zu äußern, aber wir sollten ihnen niemals den Mut nehmen, die Wahrheit zu sagen.
- Dickköpfigkeit: Kinder können unglaublich stur sein, wenn sie etwas wollen. Sie setzen ihren Willen mit aller Macht durch und geben nicht auf, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Das kann Eltern zur Weißglut treiben, aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Dickköpfigkeit auch eine positive Seite hat. Denn wer dickköpfig ist, ist auch hartnäckig und zielstrebig. Und genau diese Fähigkeit, sich für etwas einzusetzen und nicht aufzugeben, wird ihnen im Leben helfen, ihre Ziele zu erreichen. Natürlich müssen Kinder lernen, Kompromisse einzugehen, aber wir sollten ihnen niemals den Willen nehmen, für das zu kämpfen, was ihnen wichtig ist.
- Wut: Wütende Kinder sind schwer auszuhalten. Sie schreien, toben und werfen mit Dingen um sich. Wir als Eltern versuchen oft, ihre Wut zu unterdrücken oder sie schnellstmöglich zu beruhigen. Aber es ist wichtig, zu verstehen, dass Wut ein natürliches Gefühl ist, das jeder Mensch hat. Und es ist wichtig, dass Kinder lernen, ihre Wut auf gesunde Weise auszudrücken. Anstatt sie zu bestrafen, sollten wir ihnen helfen, ihre Gefühle zu benennen und einen konstruktiven Umgang damit zu finden. Denn wer seine Wut kontrollieren kann, kann sie auch als Antrieb nutzen, um etwas zu verändern oder seine Ziele zu erreichen.
- Hartnäckigkeit: Jedes Elternteil kennt die berühmt-berüchtigte „Warum-Phase“. Kinder hinterfragen alles, wollen alles wissen und geben nicht auf, bis sie eine zufriedenstellende Antwort bekommen haben. Das kann anstrengend sein, aber es ist auch ein Zeichen von Neugier und Wissensdurst. Und genau diese Hartnäckigkeit, die Dinge bis ins kleinste Detail zu hinterfragen, ist eine wertvolle Eigenschaft. Denn wer hartnäckig ist, gibt nicht auf, wenn er auf ein Problem stößt, sondern sucht so lange nach einer Lösung, bis er sie gefunden hat. Und genau diese Fähigkeit, Probleme zu lösen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, ist im Leben von unschätzbarem Wert.
Neugierde-Entdecken-Wachstum: Ein Kind erforscht die Welt.
Diese Liste ist natürlich nicht erschöpfend. Es gibt noch viele weitere Eigenschaften, die wir unseren Kindern nicht abgewöhnen sollten. Aber ich hoffe, sie hat dir gezeigt, dass es sich lohnt, genauer hinzuschauen und die vermeintlichen „Problem-Eigenschaften“ deiner Kinder als das zu sehen, was sie wirklich sind: Superkräfte, die sie im Leben erfolgreich machen werden.
Es ist nicht immer einfach, all das auszuhalten. Manchmal fehlt die Zeit, die Nerven oder der Raum, um auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Eltern sind auch nur Menschen und machen Fehler. Aber es ist wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, warum wir tun, was wir tun. Worum geht es wirklich? Ist es wirklich so schlimm, wenn das Kind mal etwas lauter ist? Müssen wir wirklich jede Entscheidung kontrollieren? Oder können wir nicht einfach mal loslassen und den Kindern den Raum geben, sich selbst zu entfalten?
Ein Perspektivenwechsel für entspanntere Eltern
Elternschaft ist eine Reise, auf der wir ständig dazulernen. Es gibt keine perfekten Eltern und keine perfekten Kinder. Aber es gibt die Möglichkeit, jeden Tag ein bisschen besser zu werden, unsere Kinder besser zu verstehen und sie dabei zu unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Und das beginnt damit, unsere eigenen Denkmuster zu hinterfragen und uns bewusst zu machen, welche Eigenschaften wir an unseren Kindern wirklich fördern wollen. Es beginnt damit, ihnen zuzuhören, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen und ihnen den Raum zu geben, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Und es beginnt damit, uns selbst zu vergeben, wenn wir Fehler machen, und daraus zu lernen. Denn am Ende des Tages geht es darum, unsere Kinder auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen die Werkzeuge mitzugeben, die sie brauchen, um ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Und dazu gehören eben nicht nur gute Noten und angepasstes Verhalten, sondern auch Kreativität, Unabhängigkeit, Risikobereitschaft, Ehrlichkeit, Dickköpfigkeit, Wut und Hartnäckigkeit. Alles Eigenschaften, die wir unseren Kindern auf keinen Fall abgewöhnen sollten.
Fazit: Superkräfte fördern statt unterdrücken
Es ist verlockend, Kinder in eine bestimmte Form zu pressen und ihnen Verhaltensweisen abzugewöhnen, die uns unangenehm sind. Doch hinter jedem Trotzanfall, jeder frechen Antwort und jedem unaufgeräumten Zimmer verbirgt sich ein Potenzial. Kreativität, Unabhängigkeit, Risikobereitschaft, Ehrlichkeit, Dickköpfigkeit, Wut und Hartnäckigkeit sind keine „Problem-Eigenschaften“, sondern Superkräfte, die Kinder im späteren Leben erfolgreich machen. Eltern sollten die Balance finden zwischen notwendiger Führung und dem Raum, den Kinder brauchen, um ihre Persönlichkeit zu entfalten. Die Scham der Eltern sollte niemals die Freiheit der Kinder einschränken. Indem wir unseren Kindern erlauben, authentisch zu sein, ihre eigene Meinung zu äußern und die Welt unvoreingenommen zu entdecken, unterstützen wir sie dabei, selbstbewusste und selbstständige Persönlichkeiten zu werden. Es geht darum, die Stärken der Kinder zu erkennen und sie dabei zu unterstützen, diese zu nutzen und weiterzuentwickeln. So ebnen wir ihnen den Weg, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.
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