Es ist ein Dschungel da draußen, dieser Erziehungsdschungel. Überall lauern gut gemeinte Ratschläge, Warnungen vor Fehltritten und Anleitungen zum perfekten Glück. Doch inmitten dieses Informations-Overkills vergessen wir oft, uns auf das zu konzentrieren, was wir nicht tun sollten. Was sind die Verhaltensweisen, die wir besser vermeiden, um unseren Kindern den Raum zu geben, sich zu selbstbewussten, erfüllten Persönlichkeiten zu entwickeln?
Die Kunst des Lassens: Was erfolgreiche Eltern anders machen
Margot Machol Bisnow, Autorin des Buches „Raising an Entrepreneur“, hat sich genau dieser Frage gewidmet. Sie interviewte 70 Elternteile, deren Kinder ihren eigenen Weg gefunden und ein erfülltes Leben aufgebaut haben. Das Ergebnis war überraschend: Unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder religiöser Überzeugung gab es vier Dinge, die diese Eltern vermieden.
Diese Erkenntnisse sind wie ein Kompass in stürmischer See. Sie zeigen uns, dass es nicht immer darum geht, aktiv einzugreifen und zu kontrollieren, sondern vielmehr darum, einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem unsere Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen und ihre eigenen Stärken entdecken können. Es geht um die Balance zwischen Schutz und Freiheit, zwischen Führung und Loslassen.
Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Rande eines Schwimmbeckens. Ihr Kind möchte ins Wasser springen, aber Sie haben Angst, dass es untergeht. Die natürliche Reaktion wäre, es festzuhalten. Aber was wäre, wenn Sie stattdessen Schwimmflügel anlegen und es ermutigen würden, selbstständig ins Wasser zu gehen? Würde es nicht viel mehr lernen und Selbstvertrauen gewinnen?
Hobbys sind keine Zeitverschwendung: Leidenschaften fördern
Ob es nun das Sammeln von Briefmarken, das Programmieren von Computerspielen oder das Tanzen im Wohnzimmer ist – die Eltern in Bisnows Studie haben die Hobbys ihrer Kinder nie als bloße Zeitverschwendung abgetan. Sie erkannten den Wert darin, dass Kinder ihren Interessen nachgehen und ihre Leidenschaften entdecken können. Denn gerade in diesen vermeintlich unproduktiven Aktivitäten entwickeln sie wichtige Fähigkeiten wie Kreativität, Ausdauer und Problemlösungsfähigkeiten.
Radha Agrawal, Gründerin einer globalen Morgentanzbewegung, erinnert sich, wie ihre Eltern sie und ihre Zwillingsschwester immer beim Fußballspielen unterstützt haben. Dieser Sport hat ihr nicht nur körperliche Fitness gebracht, sondern auch wertvolle Lektionen über Disziplin, Teamarbeit und Führungsqualitäten gelehrt. „Man muss diszipliniert sein. Man lernt, organisiert und konzentriert zu sein. Und man lernt, wie wichtig Teamarbeit ist und was es heißt, Kapitänin zu sein“, sagt Agrawal.
Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um über die Hobbys Ihrer Kinder nachzudenken. Unterstützen Sie sie aktiv dabei? Ermutigen Sie sie, ihre Interessen zu vertiefen und neue Dinge auszuprobieren? Manchmal ist das Beste, was wir tun können, einfach nur zuzusehen und sie ihren eigenen Weg gehen zu lassen.
Die Macht der Eigenverantwortung: Entscheidungen treffen lassen
Es ist verlockend, unseren Kindern jede Entscheidung abzunehmen. Wir wollen sie vor Fehlern und Enttäuschungen bewahren. Aber indem wir ihnen die Möglichkeit nehmen, selbst Entscheidungen zu treffen, berauben wir sie auch der Chance, zu lernen und zu wachsen. Maura, die Mutter von Ellen Gustafson, Mitbegründerin des „FEED Projects“, einer Organisation, die Kinder in Schulen mit Lebensmitteln versorgt, hat ihre Tochter immer ermutigt, unabhängig zu sein und selbstständig zu denken.
Familie am Strand
Maura sagte ihr immer: „Vertraue, aber überprüfe. Sieh selbst hin. Sei sicher, dass es wahr ist. Nur weil alle anderen es tun, musst du es nicht auch machen.‘ Man möchte ja ein Kind großziehen, dass vorsichtig, aber nicht ängstlich ist.“ Es geht darum, ihnen das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu geben und sie zu ermutigen, ihre eigene Meinung zu bilden. Und manchmal bedeutet das auch, sie Fehler machen zu lassen – denn aus Fehlern lernt man bekanntlich am meisten.
Anstatt Ihren Kindern vorzuschreiben, was sie tun sollen, stellen Sie ihnen Fragen, die sie zum Nachdenken anregen. Fragen Sie sie, welche Wahl für sie in Zukunft hilfreicher wäre, oder was sie aus einer bestimmten Situation gelernt haben. Auf diese Weise fördern Sie ihr kritisches Denken und ihre Fähigkeit, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Die größte Herausforderung in der Erziehung besteht darin, das Gleichgewicht zwischen Führung und Freiheit zu finden. Es geht darum, unseren Kindern den sicheren Rahmen zu geben, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen machen und ihre eigenen Stärken entdecken können.
Diese Aussage fasst die Essenz einer Erziehung zusammen, die auf Eigenverantwortung und Selbstentdeckung basiert. Es ist ein Tanz zwischen Geben und Nehmen, zwischen Führen und Loslassen. Es erfordert Mut, Vertrauen und die Bereitschaft, unseren Kindern den Raum zu geben, ihren eigenen Weg zu gehen.
Glück vor Karriere: Den eigenen Weg finden lassen
Natürlich ist ein guter Schulabschluss wichtig – aber er sollte nicht das einzige Ziel sein. Bisnow betont, dass ein teurer Abschluss eine Zeitverschwendung sein kann, wenn er nicht den Interessen und Leidenschaften des Kindes entspricht. Viel wichtiger ist es, dass Kinder etwas finden, das sie wirklich lieben und hart dafür arbeiten. Denn jemand, der mit Leidenschaft bei der Sache ist, wird auch ohne den perfekten Abschluss einen Weg finden, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Es ist ein Umdenken, das viele Eltern verunsichert. Wir sind oft so darauf fixiert, unseren Kindern den „sicheren“ Weg zu ebnen – den Weg, der zu einem gut bezahlten Job und einem komfortablen Leben führt. Aber was, wenn dieser Weg nicht der richtige für unser Kind ist? Was, wenn es unglücklich und unerfüllt ist, obwohl es alle äußeren Erfolgsmerkmale erreicht hat?
Die Aufgabe von Eltern ist es sicherzustellen, dass ihr Kind später finanziell unabhängig sein kann. Das bedeutet aber nicht, dass man das Kind zu einem bestimmten Beruf zwingen muss. Vielmehr sollte man ihm helfen, seine Talente und Interessen zu entdecken und sich dann auf diesen Bereich zu konzentrieren.
Finanzielle Bildung: Früh übt sich
Geld ist ein Thema, das oft tabuisiert wird. Aber es ist wichtig, dass Kinder frühzeitig lernen, wie man mit Geld umgeht. Die Eltern in Bisnows Studie haben ihre Kinder nicht dazu gedrängt, gut bezahlte Jobs anzustreben, aber sie haben sich alle bemüht, ihnen etwas über Geld beizubringen. Joel Holland, der 2012 die Hälfte seines Unternehmens „Storyblocks“ für 10 Millionen Dollar verkaufte, erinnert sich, wie er und seine Schwester für ihr Taschengeld fegen mussten. „Die Böden mussten so sauber sein, dass man davon essen konnte“, sagt er. „Das hat mich gelehrt, was harte Arbeit bedeutet.“
Als alle Kinder in seiner Schule Rollschuhe hatten, wollten seine Eltern ihm diese nicht kaufen. Sie sagten: „Wenn du sie haben willst, musst du dein Geld sparen.“ Das habe ihn wütend gemacht, aber er habe auch den Wert des Geldes dadurch zu schätzen gelernt. Es sind diese kleinen Lektionen im Alltag, die Kinder auf das spätere Leben vorbereiten. Es geht darum, ihnen beizubringen, wie man spart, wie man investiert und wie man verantwortungsvoll mit Geld umgeht.
Vielleicht beginnen Sie damit, Ihren Kindern ein eigenes Konto zu eröffnen und ihnen zu zeigen, wie man ein Budget erstellt. Oder Sie beziehen sie in Ihre eigenen finanziellen Entscheidungen ein und erklären ihnen, warum Sie bestimmte Ausgaben tätigen oder nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, finanzielle Bildung in den Alltag zu integrieren und Ihren Kindern wertvolle Fähigkeiten für die Zukunft mitzugeben.
Fazit: Loslassen und Vertrauen
Die Erziehung ist eine Reise, kein Ziel. Es gibt keinen perfekten Weg und keine Garantie für Erfolg. Aber indem wir uns auf die Dinge konzentrieren, die wir nicht tun sollten – indem wir die Hobbys unserer Kinder nicht abwerten, ihnen nicht jede Entscheidung abnehmen, Glück nicht hinter Karriere anstellen und finanzielle Bildung nicht vernachlässigen –, können wir ihnen den Raum geben, sich zu selbstbewussten, erfüllten Persönlichkeiten zu entwickeln. Es geht darum, loszulassen und darauf zu vertrauen, dass unsere Kinder ihren eigenen Weg finden werden. Es geht darum, ihnen Flügel zu geben und sie fliegen zu lassen.
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