Empathie bei Kindern fördern: Praktische Tipps für den Alltag

In einer Welt, die sich unaufhörlich zu drehen scheint, jonglieren Mütter tagtäglich mit unzähligen Bällen: Beruf, Familie, Partnerschaft, Freunde und nicht zuletzt die eigenen Bedürfnisse. Zwischen all diesen Verantwortlichkeiten, inmitten von Windeln wechseln und Präsentationen vorbereiten, bleibt oft die Frage unbeantwortet: Wie vermitteln wir unseren Kindern Empathie, diese so wichtige Fähigkeit, die unser Miteinander erst menschlich macht?

Wenn das Eis zum Wutausbruch führt: Empathie im Alltag

Stellen Sie sich vor: Ein strahlender Sommertag, ein Eiswagen in Sicht. Ihre Tochter wünscht sich ein Erdbeereis, doch als sie an der Reihe ist, ist nur noch Vanille da. Ein kleiner Wutanfall ist die Folge. Oder Ihr Sohn, der frustriert von der Schule nach Hause kommt und die Tür knallt, weil er eine schlechte Note bekommen hat. Solche Situationen sind Teil des Familienlebens, kleine Stolpersteine im Alltag, die uns als Eltern oft ratlos zurücklassen. Wir fragen uns: Wie können wir in solchen Momenten richtig reagieren? Wie können wir unseren Kindern beibringen, die Gefühle anderer zu verstehen und mitzufühlen, wenn sie selbst gerade von ihren eigenen Emotionen überwältigt sind? Der Schlüssel liegt in der Empathie, einer Fähigkeit, die nicht nur das soziale Miteinander verbessert, sondern auch die Grundlage für starke und liebevolle Beziehungen bildet.

Die Bedeutung von Empathie: Mehr als nur Mitgefühl

Empathie ist mehr als nur Mitgefühl. Es ist die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt eines anderen hineinzuversetzen, die Perspektive des anderen zu verstehen und aufrichtig mitzufühlen. Sie ist die Grundlage für ein harmonisches Zusammenleben, für stabile Beziehungen und für eine Gesellschaft, in der Menschen sich gegenseitig unterstützen und wertschätzen. Empathie ermöglicht es uns, Konflikte konstruktiv zu lösen, Grenzen zu respektieren und einander mit Würde zu begegnen. Eine Langzeitstudie eines US-Forschungsteams über 25 Jahre hat gezeigt, dass die Wurzeln für Empathie bereits im Kindesalter gelegt werden – im Sandkasten, auf dem Klettergerüst, in der Interaktion mit Gleichaltrigen und vor allem durch das Verhalten der Eltern.

Eine Mutter umarmt ihr Kind im Herbstlaub

Herbstliche Umarmung: So stärken wir die Empathie unserer Kinder

Jessica Stern, Leiterin der Forschungsgruppe, betonte: „Wenn wir empathische Kinder erziehen wollen, müssen wir ihnen direkte Erfahrungen damit geben, verstanden und unterstützt zu werden, und auch Gelegenheiten, diese Fähigkeiten mit Gleichaltrigen zu verfeinern.“ Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Kinder sich sicher fühlen, ihre Gefühle auszudrücken und die Gefühle anderer zu respektieren. Es geht darum, ihnen zu zeigen, dass ihre Emotionen wichtig sind und dass sie nicht allein damit sind. Es geht darum, ihnen zu helfen, die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und die Vielfalt menschlicher Erfahrungen zu schätzen.

Doch wie gelingt es uns, diese wichtige Fähigkeit in unseren Kindern zu fördern? Wie können wir aus kleinen „Egos“ große „Wir’s“ machen, die nicht nur an sich selbst denken, sondern auch die Bedürfnisse und Gefühle anderer im Blick haben?

Empathie ist der Schlüssel zu einer liebevollen Familie, starken Freundschaften und einer besseren Welt.

Die Entwicklung von Empathie: Ein Reifeprozess

Die Fähigkeit zur Empathie ist nicht angeboren, sondern entwickelt sich im Laufe der Kindheit. Werden wir geboren, geht es erstmal um unser nacktes Überleben. Dass sich die Welt nicht nur um uns dreht, lernen wir zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr. Denn dafür brauchen wir unsere Spiegelneuronen und die sind erst in diesem Alter soweit entwickelt, dass wir Gefühle und Handlungen anderer nachvollziehen können. Die Basis für Empathie steht also. Und das muss nun geübt werden. Auch im Fühlen ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Mit Rückschlägen ist daher zu rechnen, Frustration und Wut sind auch mit im Gepäck, aber mit einer großen Portion Zutrauen und unserem Trainingsplan schaukeln wir das Kind schon.

In den ersten Lebensjahren sind Kinder vor allem auf ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle konzentriert. Erst mit der Zeit lernen sie, sich in andere hineinzuversetzen und deren Emotionen zu verstehen. Dieser Prozess ist eng mit der Entwicklung des Gehirns verbunden, insbesondere mit der Reifung der sogenannten Spiegelneuronen. Diese Nervenzellen ermöglichen es uns, die Handlungen und Gefühle anderer innerlich nachzuvollziehen und so Empathie zu entwickeln. Es ist ein Lernprozess, der Zeit, Geduld und vor allem die Unterstützung der Eltern erfordert.

Empathie lernen: Ein praktischer Leitfaden für Eltern

Empathie zu lernen ist ein fortlaufender Prozess, der im Alltag gelebt und geübt werden kann. Es gibt viele einfache und spielerische Möglichkeiten, die Empathiefähigkeit von Kindern zu fördern und ihnen zu helfen, zu mitfühlenden und verantwortungsbewussten Menschen heranzuwachsen. Hier sind einige bewährte Tipps und Anregungen:

#1 Ein Vorbild sein

Kinder lernen durch Nachahmung. Wir Eltern sind die engsten Bezugspersonen für ihre Kinder und natürlich auch Vorbild. Empathisch sollten wir deshalb nicht nur unseren Kindern gegenüber sein, sondern auch unseren Mitmenschen. Das bedeutet: ob wir uns für andere interessieren, wie wir mit ihren Sorgen und Ängsten umgehen, ob wir über Gefühle sprechen, uns gegenseitig helfen und auch, ob wir uns engagieren. Umso wichtiger ist es also, auch mal bei sich selbst zu gucken, eigene Muster zu hinterfragen und zu schauen, ob man wirklich wohlwollend mit sich und seiner Umgebung umgeht. Gelingt sicher nicht immer, aber Selbstreflexion ist immer der erste Schritt. Seien Sie ein Vorbild in Sachen Empathie, indem Sie aufmerksam zuhören, Mitgefühl zeigen und sich für die Gefühle anderer interessieren. Engagieren Sie sich ehrenamtlich, helfen Sie Ihren Nachbarn oder spenden Sie an wohltätige Organisationen. Zeigen Sie Ihren Kindern, dass es wichtig ist, sich für andere einzusetzen und Verantwortung zu übernehmen.

#2 Auf Augenhöhe

Bedingungsloses Vertrauen in die Liebe der Eltern und die Sicherheit, dass wir mit offenen Ohren und Armen bei Sorgen und Problemen für sie da sind, macht unsere Kinder stark. Das gelingt vor allem dann, wenn sie sich ernst genommen und gesehen fühlen. Wenn wir uns das anhören, was uns unsere Kinder zu sagen haben, sie und ihre Bedürfnisse genauso wahrnehmen, wie unsere eigenen, miteinander in Kontakt stehen und uns ohne Tabus, aber natürlich altersgerecht austauschen, dann entsteht daraus eine enge und tiefe Beziehung, in der alle Familienmitglieder gleichrangig sind. Das heißt nicht, dass wir keine Grenzen setzen dürfen, aber eben so, dass sie für alle nachvollziehbar und verständlich sind. Das fängt schon ganz simple bei der Sprache an, die wir verwenden und wie wir etwas sagen. Nehmen Sie die Gefühle Ihrer Kinder ernst, auch wenn sie Ihnen unbedeutend erscheinen. Versuchen Sie, die Welt aus ihren Augen zu sehen und ihre Perspektive zu verstehen. Sprechen Sie offen über Ihre eigenen Gefühle und zeigen Sie Ihren Kindern, dass es in Ordnung ist, traurig, wütend oder ängstlich zu sein. Hören Sie aufmerksam zu, wenn Ihre Kinder von ihren Erlebnissen und Sorgen erzählen, und versuchen Sie, ihnen mitfühlend zur Seite zu stehen.

#3 Zeit füreinander

Es klingt simpel, aber im Alltag geht das oft unter: aktiv gemeinsam Zeit verbringen. Handy mal beiseite legen, Fernseher und Laptop aus und sich wirklich miteinander beschäftigen. Das drückt nicht nur Wertschätzung aus, sondern bietet auch Raum für Austausch und Gespräche. Vor allem das Interesse an den Dingen, die dem Kind wichtig sind, schafft eine Verbindung. Und was wir unseren Kindern ganz besonders mit auf den Weg geben sollten: Du bist genau richtig und gut so, wie du bist. Schaffen Sie bewusst Zeit für gemeinsame Aktivitäten, in denen Sie sich ungeteilt Ihren Kindern widmen können. Spielen Sie zusammen, lesen Sie vor, unternehmen Sie Ausflüge oder kochen Sie gemeinsam. Nutzen Sie diese Zeit, um sich auszutauschen, zuzuhören und sich gegenseitig besser kennenzulernen. Zeigen Sie Ihren Kindern, dass Sie sich für ihre Interessen und Hobbys interessieren und dass Sie ihre Einzigartigkeit schätzen.

#4 Gefühle lernen

Für Kinder ist der Umgang mit den eigenen Gefühlen ein schwieriger Lernprozess. Wut, Trauer, Scham und Angst sind Emotionen, mit denen sie erst einmal lernen müssen umzugehen. Bloß, weil ein Kind also nicht empathisch auf andere reagiert, heißt das nicht, dass es nicht empathisch ist. Doch erst wenn Kinder lernen, die eigenen Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren, können sie emphatischer gegenüber anderen sein. Unterstützen können wir sie in diesem Lernprozess, indem wir sie ermutigen über Gefühle zu sprechen und diesen anfangs überhaupt einen Namen zu geben. Ein Kind, das zum ersten mal Wut spürt, weiß noch nicht, was dieses grummelige Gefühl im Bauch ist. Auch Konfliktsituationen lassen sich so besprechen und üben: Wer hat sich wie gefühlt und warum? Gefühle benennen und aktiv zu hören zu trainieren, hilft, auch andere besser zu verstehen. Helfen Sie Ihren Kindern, ihre Gefühle zu erkennen, zu benennen und auszudrücken. Sprechen Sie über verschiedene Emotionen und wie sie sich anfühlen. Ermutigen Sie Ihre Kinder, ihre Gefühle auf gesunde Weise auszuleben, sei es durch Malen, Schreiben, Sprechen oder Sport. Zeigen Sie ihnen, dass es in Ordnung ist, Gefühle zu zeigen, und dass es wichtig ist, diese nicht zu unterdrücken.

#5 Gemeinsam Tagebuch schreiben

Ein Ritual, dass nicht nur unseren Kindern, sondern auch uns selbst gut tut: Jeden Abend gemeinsam aufschreiben, was besonders toll an dem Tag war. Das ist nicht nur ein schönes Ritual, um den Tag als Familie ausklingen zu lassen, sondern schult auch den Blick für das Positive. Dabei können unterschiedliche Fragen beantwortet werden, zum Beispiel:

  • Was hat mich heute glücklich gemacht?
  • Wofür bin ich dankbar?
  • Was habe ich heute gelernt?

Es müssen gar keine großen Dinge sein und auch wenn die Antworten sich jeden Tag wiederholen, ist das nicht schlimm. Sich überhaupt damit auseinanderzusetzen, was einem am Tag Gutes geschehen ist, lenkt unseren Blick schon in eine andere Richtung. Führen Sie ein gemeinsames Dankbarkeitstagebuch, in dem Sie jeden Abend festhalten, wofür Sie dankbar sind. Dies hilft Ihren Kindern, den Fokus auf die positiven Aspekte des Lebens zu lenken und Wertschätzung für die kleinen Dinge zu entwickeln. Ermutigen Sie Ihre Kinder, auch die positiven Eigenschaften und Handlungen anderer zu erkennen und wertzuschätzen.

#6 Familienrat

Bei Empathie geht es immer auch um die Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen, denen anderer und um gegenseitigen Respekt. Das kann man innerhalb der Familie super beim regelmäßigen Familienrat üben. So kann sich die Familie beispielsweise zusammensetzen, um Konflikte, wöchentliche Abläufe oder Wünsche zu besprechen. Etablieren Sie einen regelmäßigen Familienrat, in dem alle Familienmitglieder gleichberechtigt ihre Meinungen und Bedürfnisse äußern können. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um Konflikte konstruktiv zu lösen, Kompromisse zu finden und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Dies fördert das Verständnis füreinander und stärkt den Zusammenhalt in der Familie.

#7 Gemeinschaftssinn stärken

Soziale Kompetenzen lernen wir am leichtesten im Umgang mit anderen, sowohl im freundschaftlichen Miteinander als auch in Konfliktsituationen. Alles, was wir also in Gemeinschaften erleben, fördert unseren Sinn für andere. Das kann ein Teamsport sein, ein Hobby, das in der Gruppe ausgeübt wird, ein gemeinsames Projekt, etwas Wohltätiges. Wer sein Kind hier unterstützt, etwa an gemeinschaftlichen Projekten teilzunehmen, der stärkt die sozialen Kompetenzen seines Nachwuchses auf ganzer Linie. Fördern Sie die Teilnahme Ihrer Kinder an gemeinschaftlichen Aktivitäten, wie Sportvereinen, Jugendgruppen oder ehrenamtlichen Projekten. Dies ermöglicht ihnen, soziale Kompetenzen zu erwerben, Freundschaften zu schließen und die Bedeutung von Zusammenhalt und Solidarität zu erfahren.

#8 Emotionskontrolle durch Achtsamkeit

Dass uns Gefühle einfach überrollen und wir uns ihnen ausgeliefert fühlen, kennen wir. Wie sich unsere Kinder fühlen, kann man sich daher sehr gut vorstellen. Die Oberhand über die Gefühle zu gewinnen und auch zu behalten, muss man erst einmal lernen. Vor allem Atemübungen helfen, um wieder Ruhe in den Gefühlssturm zu bekommen. Am besten trainiert man diese in entspannten Situationen, um sie dann auch abrufen zu können, wenn beispielsweise die Wut sich ihren Weg bahnt. Wichtig ist auch, schon von Kindesbeinen an zu lernen, sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern und achtsam mit sich selbst zu sein. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, unsere Kinder darin zu unterstützen, sie ernst zu nehmen und zu respektieren. Bringen Sie Ihren Kindern Achtsamkeitstechniken bei, wie zum Beispiel Atemübungen oder Meditation. Dies hilft ihnen, ihre Gefühle zu regulieren, Stress abzubauen und sich selbst besser wahrzunehmen. Fördern Sie ein gesundes Selbstwertgefühl und zeigen Sie Ihren Kindern, dass sie wertvoll und liebenswert sind, unabhängig von ihren Leistungen oder Fehlern.

#9 Üben, üben, üben

Es ist alles Übungssache. Je öfter wir empathisches Verhalten anwenden, desto mehr verfestigt es sich in uns. Also heißt es auch für unsere Kinder: trainieren! Es war schon öfter in der Diskussion, emotionale Bildung auch als Schulfach aufzunehmen. In vielen Lebenslagen wäre das sicher um einiges sinnvoller als physikalische Gleichungen zu kennen, die man ohnehin jedesmal nachschlagen kann, die Fähigkeit, über einen Balken zu stolzieren oder Kurven zu diskutieren. Empathie ist wie ein Muskel, der trainiert werden muss. Je öfter wir empathisches Verhalten zeigen, desto stärker wird unsere Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen und mitzufühlen. Ermutigen Sie Ihre Kinder, sich in verschiedenen Situationen empathisch zu verhalten, sei es im Umgang mit Freunden, Geschwistern oder Fremden. Loben Sie sie für ihr Mitgefühl und ihre Hilfsbereitschaft.

Fazit: Empathie als Schlüssel zu einer besseren Zukunft

Empathie ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die wir unseren Kindern mit auf den Weg geben können. Sie ist die Grundlage für ein erfülltes und harmonisches Leben, für starke Beziehungen und für eine Gesellschaft, in der Menschen sich gegenseitig unterstützen und wertschätzen. Indem wir unseren Kindern Empathie vorleben, sie in ihrer emotionalen Entwicklung unterstützen und ihnen Möglichkeiten bieten, ihre Empathiefähigkeit zu trainieren, legen wir den Grundstein für eine bessere Zukunft. Eine Zukunft, in der Mitgefühl, Respekt und Solidarität die Werte sind, die unser Handeln bestimmen.

Also, liebe Mütter, lasst uns gemeinsam daran arbeiten, die Welt ein Stückchen empathischer zu machen – angefangen bei unseren eigenen Kindern. Denn sie sind die Zukunft, und mit ihrer Empathie können sie die Welt verändern.

QUELLEN

Eltern.de

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