Der Alltag mit Kindern kann eine Achterbahn der Gefühle sein. Zwischen liebevollen Umarmungen und unvergesslichen Lachmomenten gibt es auch die Momente, in denen die Nerven blank liegen. Wer kennt es nicht: Das Kind räumt sein Zimmer nicht auf, streitet mit dem Geschwisterchen oder trotzt beim Anziehen. In solchen Situationen ist es verlockend, mit Strenge oder gar Strafen zu reagieren. Aber es gibt einen Weg, der nicht nur effektiver ist, sondern auch die Bindung zwischen Eltern und Kind stärkt: die positive Verstärkung.
Die Macht der positiven Verstärkung
Positive Verstärkung ist mehr als nur ein Lob oder eine Belohnung. Es ist eine Methode, die darauf abzielt, erwünschtes Verhalten zu fördern, indem man positive Konsequenzen hinzufügt. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind hilft freiwillig beim Tischdecken. Anstatt es als Selbstverständlichkeit abzutun, loben Sie es überschwänglich für seine Hilfsbereitschaft. Oder vielleicht hat Ihr Kind seine Hausaufgaben ohne Murren erledigt. Eine kleine Belohnung, wie eine zusätzliche halbe Stunde Spielzeit, kann Wunder wirken. Der Clou dabei ist, dass das Kind lernt: „Wenn ich dieses Verhalten zeige, passiert etwas Positives.“ Und genau das motiviert es, dieses Verhalten zu wiederholen.
Im Gegensatz dazu steht die positive Bestrafung, bei der versucht wird, unerwünschtes Verhalten durch das Hinzufügen einer negativen Konsequenz zu reduzieren. Ein Beispiel wäre, das Kind ins Zimmer zu schicken, wenn es frech ist. Während Bestrafung kurzfristig wirken kann, zeigen Studien, dass positive Verstärkung langfristig effektiver ist, um Verhaltensweisen zu ändern und eine positive Beziehung zu fördern. Es geht darum, den Fokus auf das zu legen, was gut läuft, und nicht nur auf das, was schiefgeht. Und das ist nicht nur für Kinder, sondern auch für uns Erwachsene eine wichtige Lektion.
Positive Verstärkung bei Kindern
Wie positive Verstärkung im Alltag funktioniert
Die gute Nachricht ist, dass positive Verstärkung kinderleicht in den Alltag integriert werden kann. Es braucht keine teuren Geschenke oder aufwendigen Pläne. Oft sind es die kleinen Dinge, die den größten Unterschied machen. Ein liebevolles Lächeln, ein anerkennendes Nicken oder ein aufrichtiges „Danke“ können Wunder wirken. Wichtig ist, dass die Verstärkung unmittelbar auf das gewünschte Verhalten folgt, damit das Kind die Verbindung herstellen kann. Wenn Ihr Kind also seinen Teller brav aufgegessen hat, loben Sie es sofort dafür. Oder wenn es sich beim Spielen mit Freunden fair verhalten hat, erwähnen Sie das anerkennend.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, positive Verstärkung im Alltag einzusetzen. Hier sind ein paar Beispiele, die sich leicht umsetzen lassen:
- Lob und Anerkennung: Sagen Sie Ihrem Kind, wie stolz Sie auf es sind, wenn es etwas gut gemacht hat.
- Kleine Belohnungen: Eine zusätzliche Gute-Nacht-Geschichte, ein Ausflug zum Spielplatz oder ein Sticker für eine erfüllte Aufgabe.
- Gemeinsame Zeit: Verbringen SieQuality-Time mit Ihrem Kind, indem Sie zusammen spielen, lesen oder kuscheln.
- Privilegien: Erlauben Sie Ihrem Kind, länger aufzubleiben, ein besonderes Spiel zu spielen oder ein Lieblingsessen auszuwählen.
- Materielle Belohnungen: Ein neues Spielzeug, ein Buch oder ein Kleidungsstück (aber bitte in Maßen und nicht als Ersatz für Lob und Anerkennung).
Wichtig ist, dass die Belohnung zum Kind und zur Situation passt. Ein Teenager wird sich wahrscheinlich weniger über einen Sticker freuen als ein Kindergartenkind. Und eine materielle Belohnung sollte immer die Ausnahme sein, nicht die Regel. Der Fokus sollte immer auf der Wertschätzung und Anerkennung des Verhaltens liegen.
Manchmal ist es schwer im Alltag den Überblick zu behalten und sich daran zu erinnern, wann und wofür man sein Kind gelobt hat. Eine tolle Methode hierfür sind Belohnungssysteme. Für jüngere Kinder eignen sich zum Beispiel Sticker-Belohnungs-Systeme. Hierbei bekommt das Kind für jede positive Handlung, beispielsweise das Aufräumen des Zimmers, einen Sticker auf eine Belohnungskarte. Ist die Karte voll, winkt eine vorher vereinbarte Belohnung. Für ältere Kinder kann man beispielsweise ein Punktesystem einführen, bei dem für jede gute Tat Punkte gesammelt werden, die dann gegen größere Wünsche eingetauscht werden können. Hierbei ist es wichtig, dass das Kind bei der Wahl der Belohnung mitbestimmen kann, um seine Motivation zu steigern.
„Positive Verstärkung ist der Schlüssel zu einer liebevollen und effektiven Erziehung, die das Selbstwertgefühl des Kindes stärkt und eine positive Verhaltensentwicklung fördert.“
Die Kunst, den Fokus richtig zu setzen
Ein entscheidender Aspekt der positiven Verstärkung ist, den Fokus auf den Prozess und die Anstrengung zu legen, nicht nur auf das Ergebnis. Wenn Ihr Kind sich beispielsweise bemüht, eine schwierige Matheaufgabe zu lösen, loben Sie es für seine Ausdauer und seinen Einsatz – auch wenn die Lösung am Ende nicht ganz richtig ist. Oder wenn Ihr Kind versucht, Ihnen im Haushalt zu helfen, würdigen Sie seinen guten Willen, auch wenn es dabei vielleicht etwas ungeschickt ist. Der Clou dabei ist, dass das Kind lernt, dass Anstrengung und Bemühung genauso wichtig sind wie Erfolg. Und das ist eine wertvolle Lektion fürs Leben.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind soll lernen, seine Schulsachen nach der Ankunft zu verstauen. Wenn Sie sehen, dass es seine Jacke aufhängt, aber die Brotdose vergisst, loben Sie es trotzdem für den ersten Schritt. Oder wenn es auf dem Weg zum Zähneputzen abgelenkt wird, loben Sie seine ursprüngliche Absicht und lenken Sie es dann sanft zurück zum Badezimmer. Diese kleinen, aufmerksamen Gesten zeigen Ihrem Kind, dass Sie seine Bemühungen sehen und wertschätzen – auch wenn es noch nicht perfekt ist.
Manchmal ist es sinnvoll, sofort Lob auszusprechen, anstatt auf den Abschluss einer längeren Aufgabe zu warten, besonders wenn Sie befürchten, dass die guten Absichten Ihres Kindes unterwegs verloren gehen könnten. Wenn ein Kind, das sich mit Hausaufgaben schwert, beispielsweise anfängt, seine Matheaufgaben zu bearbeiten, loben Sie es sofort dafür, dass es angefangen hat. Dieses frühe Lob gibt Ihrem Kind ein Erfolgserlebnis und ermutigt es, dranzubleiben.
Welches Verhalten sollte man positiv verstärken?
Grundsätzlich können Sie jedes Verhalten positiv verstärken, das Sie bei Ihrem Kind fördern möchten. Hier sind ein paar Beispiele:
- Hilfsbereitschaft: Wenn Ihr Kind Ihnen im Haushalt hilft, auf seine Geschwister aufpasst oder anderen Menschen eine Freude macht.
- Verantwortungsbewusstsein: Wenn Ihr Kind seine Aufgaben erledigt, seine Sachen aufräumt oder pünktlich ist.
- Soziales Verhalten: Wenn Ihr Kind freundlich, respektvoll und fair ist, Konflikte friedlich löst oder sich für andere einsetzt.
- Selbstständigkeit: Wenn Ihr Kind versucht, Dinge alleine zu machen, Probleme selbstständig löst oder Verantwortung für sein Handeln übernimmt.
- Anstrengung und Ausdauer: Wenn Ihr Kind sich bemüht, etwas zu lernen, nicht aufgibt, auch wenn es schwierig ist, oder seine Ziele verfolgt.
Es ist wichtig, dass die Belohnung in einem klaren Zusammenhang mit dem Verhalten steht. Das Kind sollte verstehen, warum es gelobt oder belohnt wird. Wenn Ihr Kind beispielsweise seine Hausaufgaben gemacht hat, sagen Sie: „Ich bin stolz auf dich, dass du deine Hausaufgaben so fleißig erledigt hast. Deshalb darfst du heute Abend länger aufbleiben.“ Diese klare Verbindung macht die positive Verstärkung effektiver und einprägsamer.
Die Bedeutung von Konsequenz
Positive Verstärkung ist besonders effektiv, wenn sie konsequent angewendet wird. Stellen Sie sich vor, Sie würden nur gelegentlich für Ihre Arbeit bezahlt. Wie oft würden Sie wohl zur Arbeit gehen? Wahrscheinlich würden Sie irgendwann aufgeben, wenn sich Ihre Bemühungen nicht lohnen. Das Gleiche gilt für Ihr Kind. Wenn Sie es nur ab und zu für sein gutes Verhalten loben oder belohnen, wird sich sein Verhalten wahrscheinlich nicht ändern. Das bedeutet nicht, dass Sie Ihr Kind jedes Mal belohnen müssen, wenn es einen Teller in die Spüle trägt. Aber je öfter sein gutes Verhalten bemerkt wird, desto besser – besonders bei jüngeren Kindern.
Mit der Zeit können Sie die Häufigkeit der Verstärkung reduzieren. Sobald Ihr Kind eine Fähigkeit gemeistert hat, können Sie es gelegentlich mit einer unerwarteten Belohnung überraschen. Sagen Sie zum Beispiel: „Wow, ich bin so beeindruckt, wie pünktlich du in letzter Zeit für die Schule fertig bist. Ich finde, wir sollten heute Abend auf den Spielplatz gehen, um das zu feiern.“ Diese gelegentlichen Überraschungen helfen, das Verhalten aufrechtzuerhalten.
Achten Sie darauf, Ihrem Kind keine Belohnungen für gute Noten zu geben. Es ist viel wichtiger, die Anstrengung und den Fortschritt zu belohnen, anstatt sich nur auf das Ergebnis zu konzentrieren. Es ist auch wichtig, dass Ihr Kind lernt, dass die Schule nicht nur aus Noten besteht, sondern dass es auch darum geht, Wissen zu erwerben und sich persönlich weiterzuentwickeln.
Vorsicht vor versehentlicher Verstärkung
Manchmal verstärken Eltern unbeabsichtigt negatives Verhalten. Ein häufiger Fehler ist, dem Kind Aufmerksamkeit zu schenken – auch wenn es negative Aufmerksamkeit wie Schimpfen ist. Aufmerksamkeit kann sehr verstärkend sein, selbst wenn sie negativ ist. Ignorieren kann eine der besten Reaktionen auf unangemessenes, aufmerksamkeitsheischendes Verhalten sein. Ein weiterer Fehler ist, nachzugeben. Wenn Ihr Kind beispielsweise im Supermarkt einen Wutanfall bekommt, weil es eine Süßigkeit will, und Sie ihm schließlich die Süßigkeit kaufen, haben Sie sein negatives Verhalten verstärkt. Es hat gelernt, dass es durch einen Wutanfall bekommt, was es will.
Stellen Sie stattdessen sicher, dass negatives Verhalten nicht verstärkt wird. Wenn Ihr Kind sich daneben benimmt, ziehen Sie eine negative Konsequenz in Betracht, wie den Entzug von Privilegien.
Positive Verstärkung ist ein mächtiges Werkzeug, das Ihnen helfen kann, das Verhalten Ihres Kindes positiv zu beeinflussen und eine liebevolle Beziehung aufzubauen. Indem Sie den Fokus auf das Gute legen, Ihrem Kind Wertschätzung zeigen und konsequent bleiben, können Sie eine glücklichere und harmonischere Familie schaffen. Und wer möchte das nicht?
Fazit
Positive Verstärkung ist ein effektiver Weg, um gutes Verhalten bei Kindern zu fördern. Es geht darum, erwünschtes Verhalten durch Lob, Belohnungen oder andere positive Konsequenzen zu verstärken. Im Gegensatz zur Bestrafung konzentriert sich die positive Verstärkung darauf, was gut läuft, und motiviert Kinder, dieses Verhalten zu wiederholen. Dies stärkt nicht nur das Selbstwertgefühl des Kindes, sondern fördert auch eine positive Eltern-Kind-Beziehung. Durch konsequente Anwendung und den Fokus auf Anstrengung und Fortschritt können Eltern eine glücklichere und harmonischere Familienumgebung schaffen.
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