Great Resignation: Wie Eltern Beruf und Familie neu denken

Die Corona-Pandemie hat in vielen Familien zu einem Umdenken geführt. War vorher der Job Lebensmittelpunkt, so rückten plötzlich die Kinder in den Fokus. Eltern, insbesondere Mütter, begannen, ihre Prioritäten neu zu ordnen und suchten nach Wegen, Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. Was als „Great Resignation“ begann, könnte sich als „Great Reimagination“ etablieren: Eine Zeit, in der Arbeitnehmer ihre Lebensmodelle neu denken und sich von veralteten Strukturen verabschieden. Die Frage ist nur, ob es sich um eine nachhaltige Veränderung handelt oder lediglich um eine weitere Welle des allgegenwärtigen „Hustle Culture“, die vor allem Eltern betrifft.

Vom Büro zum eigenen Business

Viele Mütter, die jahrelang in traditionellen Unternehmen tätig waren, suchten nach Alternativen, um mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Chenadra Washington, eine 35-jährige Frau aus Houston, kündigte ihren Job im Finanzdienstleistungssektor, um ihr eigenes PR-Unternehmen zu gründen. Nach 13 Jahren im Job fühlte sie sich ausgebrannt und unterfordert. Die langen Arbeitszeiten ließen ihr kaum Zeit für ihren vierjährigen Sohn und ihre Großeltern. Ein einschneidendes Erlebnis war der Mord an George Floyd im Mai 2020. Die Bilder der Proteste und die Sorge um die Zukunft ihres Sohnes verstärkten ihren Wunsch nach Veränderung. Sie engagierte einen Business Coach, um ihren Ausstieg zu planen, und gründete Black Orchids PR, mit dem Ziel, Frauen of Color bei der Vermarktung ihrer Marken zu unterstützen. Der Erfolg gab ihr recht: Sie konnte strategische Partnerschaften aufbauen und mehrere Auszeichnungen gewinnen. Doch das Wichtigste für sie ist die gewonnene Zeit mit ihrem Sohn, mit dem sie nun regelmäßig „Hangout Days“ verbringen kann.

Auch Melissa Moran, 42, aus Wellington, Florida, tauschte ihren Job in der Produktentwicklung gegen ein eigenes Spielzeugunternehmen namens Swingly Toys ein. Nach 20 Jahren im Angestelltenverhältnis sehnte sie sich nach mehr Zeit mit ihren beiden Kindern. Ihr Mann, ein Feuerwehrmann, hatte während ihrer langen Arbeitszeiten mehr Zeit mit den Kindern verbracht. Sie wollte die prägenden Momente in ihren Leben nicht verpassen und etwas Eigenes aufbauen. Mit Hilfe einer Kickstarter-Kampagne konnte sie ihr Unternehmen finanzieren und ist nun in der Lage, ihre Kinder nach der Schule zu empfangen und gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen. Die Familie führt nun intensivere Gespräche und genießt die gemeinsame Zeit.

Selbstständigkeit als Weg zur Selbstverwirklichung

Anna Patil, 35, entschied sich nach über einem Jahrzehnt als Redakteurin für eine Karriere als freiberufliche Beraterin. Nach einer Umstrukturierung ihres Arbeitgebers nahm sie ein Angebot zur Abfindung an. Die Arbeit als Redakteurin, die sich hauptsächlich mit den Themen COVID und psychische Gesundheit befasste, hatte sie ausgebrannt. Sie wollte nicht länger die Verantwortung für Personalentscheidungen tragen und lieber kreative Projekte umsetzen. Dank der finanziellen Unterstützung ihres Mannes konnte sie das Risiko eingehen und sich selbstständig machen. Sie fand schnell einen großen Kunden aus der Sportbekleidungsbranche und kann nun bei gleichem Einkommen deutlich weniger arbeiten. Die gewonnene Flexibilität ermöglicht es ihr, sich besser um ihre Kinder zu kümmern und ihre Freizeit selbstbestimmter zu gestalten.

Es geht darum, die Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen und die Prioritäten neu zu setzen.

Die Beispiele von Chenadra, Melissa und Anna zeigen, dass es viele Wege gibt, um Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. Ob die Gründung eines eigenen Unternehmens oder die freiberufliche Tätigkeit – wichtig ist, dass die gewählte Lösung den individuellen Bedürfnissen und Umständen entspricht. Frauen, die sich für diesen Weg entscheiden, beweisen Mut und Kreativität. Sie sind bereit, Risiken einzugehen und neue Wege zu beschreiten, um ein erfüllteres Leben zu führen – und ihren Kindern ein Vorbild zu sein.

Eine Mutter arbeitet am Laptop, während ihre Kinder um sie herum spielen.

Eltern schaffen neue Work-Life-Balance im Familienalltag.

Der Weg zurück in die Festanstellung

Es gibt aber auch Eltern, für die der umgekehrte Weg der richtige ist. Sona Charaipotra, 45, war als freiberufliche Journalistin und Autorin tätig und leitete ihr eigenes Buchverpackungsunternehmen. Die vielen Projekte führten zu einer 80-Stunden-Woche ohne garantiertes Einkommen. Sie sehnte sich nach Struktur und Stabilität und nahm eine Stelle als Redakteurin bei Parents an. Die Arbeitszeiten von 9:30 bis 17:30 Uhr sind in der Medienbranche eine Seltenheit, ermöglichen ihr aber, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Sie schätzt die kollegiale Atmosphäre und die Möglichkeit, pünktlich Feierabend zu machen. Trotzdem bleibt sie kreativ tätig und veröffentlicht weiterhin Bücher.

Die Entscheidung für oder gegen die Selbstständigkeit ist eine sehr persönliche. Es gibt kein Patentrezept für die perfekte Work-Life-Balance. Wichtig ist, dass Eltern die für sie passende Lösung finden, die ihren Bedürfnissen und Wünschen entspricht. Dabei sollten sie sich nicht von gesellschaftlichen Erwartungen oder äußeren Zwängen leiten lassen, sondern auf ihr eigenes Bauchgefühl hören.

Die Rolle der Unternehmen

Die steigende Zahl von Selbstständigen zeigt, dass Unternehmen flexiblere Arbeitsmodelle anbieten müssen, um Eltern und Betreuungspersonen zu unterstützen. Brigid Schulte, Direktorin des Better Life Lab bei New America, betont, dass die hohe Zahl von Selbstständigen ein Zeichen dafür ist, dass die traditionellen Arbeitsbedingungen für viele Frauen und Eltern unhaltbar geworden sind. Sie verlassen stabile Jobs und Karrieren, um ein besseres Leben zu führen. Unternehmen müssen ihre starren Strukturen aufbrechen und flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten und familienfreundliche Leistungen anbieten.

Schulte weist jedoch auch darauf hin, dass die Selbstständigkeit oft mit finanziellen Risiken verbunden ist und nicht für jeden eine Option darstellt. Insbesondere Menschen mit geringerem Einkommen und ohne Hochschulabschluss haben es schwerer, sich selbstständig zu machen. Daher ist es umso wichtiger, dass Unternehmen faire Löhne, angemessene Arbeitszeiten und familienfreundliche Leistungen anbieten, damit Eltern im Job erfolgreich sein können.

Anna Patil stimmt dem zu und betont, dass sie dankbar für die Unterstützung ihrer Familie und die finanzielle Sicherheit ist. Sie ist sich bewusst, dass ihre Situation nicht die Regel ist und dass viele Eltern in den USA keine ausreichende Unterstützung erhalten. Sie kritisiert, dass der Staat sich nicht ausreichend um Kinder und Eltern kümmert und dass viele Eltern nur dank Glück und Privilegien überleben können. Es sollte nicht so sein, dass Eltern sich zwischen Job und Familie entscheiden müssen.

Die wichtigsten Erkenntnisse

Die „Great Resignation“ hat gezeigt, dass viele Eltern mit den traditionellen Arbeitsbedingungen unzufrieden sind und nach Alternativen suchen. Ob Selbstständigkeit oder Festanstellung – wichtig ist, dass die gewählte Lösung den individuellen Bedürfnissen und Wünschen entspricht. Unternehmen müssen flexiblere Arbeitsmodelle anbieten, um Eltern und Betreuungspersonen zu unterstützen. Der Staat muss sich stärker um Kinder und Eltern kümmern und für faire Rahmenbedingungen sorgen. Nur so können Eltern ein erfülltes Leben führen und ihren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen.

Fazit

Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Immer mehr Eltern erkennen, dass es nicht nur um Karriere und Geldverdienen geht, sondern auch um Familie, Lebensqualität und Selbstverwirklichung. Die „Great Resignation“ war ein Weckruf für Unternehmen und Politik. Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert und dass Eltern die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um Beruf und Familie erfolgreich miteinander zu vereinbaren. Es geht nicht darum, die „perfekte“ Work-Life-Balance zu finden, sondern darum, ein Gleichgewicht zu schaffen, das für die individuelle Situation passt. Dies kann bedeuten, den Job zu kündigen und ein eigenes Unternehmen zu gründen, sich für eine freiberufliche Tätigkeit zu entscheiden oder eine Festanstellung mit flexiblen Arbeitszeiten zu suchen. Wichtig ist, dass Eltern die Freiheit haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihren eigenen Weg zu gehen. Die Beispiele in diesem Artikel zeigen, dass es viele Wege zum Glück gibt und dass es sich lohnt, für seine Träume zu kämpfen.

QUELLEN

parents.com

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