Die ersten tapsigen Schritte in einer neuen Sprache – wer erinnert sich nicht daran? Es ist ein bisschen wie das Balancieren auf einem schmalen Grat, zwischen dem Stolz auf das Gelernte und der Angst, sich zu blamieren. Doch was, wenn wir unseren Kindern diesen Balanceakt erleichtern könnten? Was, wenn das Erlernen einer Fremdsprache nicht mehr mit Stress, sondern mit Spaß und Erfolgserlebnissen verbunden wäre? Gerade für uns Karriere-Mütter, die wir ohnehin jonglieren zwischen Job, Familie und den eigenen Bedürfnissen, ist es doch ein beruhigender Gedanke, unseren Kindern den bestmöglichen Start in eine mehrsprachige Zukunft zu ermöglichen.
Der Schlüssel zum Sprachenschatz: Anknüpfen an Bekanntes
Stellen Sie sich vor, Ihr Kind steht vor einer riesigen, unbekannten Tür. Dahinter verbirgt sich eine neue Sprache, ein neues Universum an Wörtern und Grammatik. Wie überwältigend! Doch was, wenn Sie Ihrem Kind einen Schlüssel in die Hand geben könnten, der diese Tür spielend leicht öffnet? Dieser Schlüssel ist das bereits vorhandene Wissen. Im Deutsch- und Mathematikunterricht ist es längst gängige Praxis: Kein Kind beginnt bei Null. Und auch beim Sprachenlernen gilt: Jedes Kind hat bereits einen kleinen Schatz an Vokabeln und Erfahrungen, an den man anknüpfen kann. Denken Sie nur an Wörter wie „cool“, „happy“ oder „Ketchup“. Sie sind Teil des Alltags, vertraut und positiv besetzt.
Die Pädagogin Heide Niemann, Schulleiterin und Expertin für neue Lernmethoden, betont: „Auch das kleinste Englischwissen erleichtert den Einstieg ins Sprachenlernen.“ Nutzen wir also diese Brücken, um unseren Kindern den Einstieg zu erleichtern. Wenn Ihr Kind das Wort „King“ kennt, warum nicht gleich „Princess“ und „Dragon“ hinzufügen? So entsteht ein spielerischer Zugang, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Motivation steigert. Plötzlich wird die Fremdsprache nicht mehr als Bedrohung, sondern als spannende Erweiterung des eigenen Horizonts wahrgenommen.
Authentisch, bitte! Eintauchen in die echte Sprachwelt
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es so viel leichter ist, eine Sprache im Land selbst zu lernen? Weil man dort von der echten Sprache umgeben ist, von den alltäglichen Gesprächen, den Redewendungen und dem Slang. Dieses authentische Erlebnis können wir auch zu Hause schaffen, indem wir unseren Kindern Zugang zu „real books“ ermöglichen. Vergessen Sie übersetzte Kinderbuchklassiker. Greifen Sie zu Büchern, die auch englische Kinder beim Großwerden begleiten. In diesen Büchern sprechen die Charaktere so, wie Kinder wirklich sprechen: natürlich, schnodderig, kreativ, witzig. Die Sprache ist lebendig und authentisch, und das macht den Unterschied!
Natürlich werden Ihre Kinder nicht jedes Wort verstehen. Aber das ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil: Es ist eine Chance, den Mut zur Wissenslücke zu üben. Denn um den Sinn einer Geschichte zu verstehen, muss man nicht jedes Wort übersetzen können. Ermutigen Sie Ihre Kinder, sich auf den Kontext zu konzentrieren, auf die Bilder und die Handlung. Und wenn sie ein Wort nicht verstehen, können sie es ja immer noch nachschlagen. Für fortgeschrittene Lerner eignen sich auch Originalausgaben von Büchern, die sie bereits auf Deutsch kennen, wie „Hanni und Nanni“ oder „Harry Potter“. Der Wiedererkennungswert hilft, den Einstieg zu erleichtern und die Freude am Lesen in der Fremdsprache zu steigern.
Kind entdeckt die Welt: Geografie als Tor zu neuen Sprachen
Die „Silent Period“: Zuhören ist Gold
Erinnern Sie sich daran, wie Ihr Kind seine Muttersprache gelernt hat? Es hat zugehört, beobachtet und die Welt um sich herum aufgesaugt. Und irgendwann, ganz plötzlich, hat es angefangen zu sprechen. Der Spracherwerb einer Fremdsprache verläuft oft ähnlich. Es gibt eine Phase, die sogenannte „silent period“, in der das Kind Wörter aufsaugt und versteht, aber noch nicht aktiv spricht. Kein Grund zur Sorge! Diese Phase ist weder passiv noch folgenlos. Im Gegenteil: Das Gehirn nimmt Bedeutungen wahr und speichert die inhaltlich verknüpften Begriffsgruppen. Auch wenn Ihr Kind noch nicht viel in der Fremdsprache spricht, lernt es viel durch Zuhören und Beobachten. Unterstützen Sie Ihr Kind in dieser Zeit, indem Sie im Alltag immer wieder die gleichen kleinen Sätze wiederholen. „Pass me the salt, please“, „Turn on the TV“ oder „See you, tschüss!“ sind einfache, aber effektive Beispiele. So lernt Ihr Kind erste feste Strukturen, sogar Grammatik, ohne dass es ihm bewusst ist.
Der Schlüssel zum erfolgreichen Sprachenlernen liegt nicht in der Perfektion, sondern in der Freude am Entdecken und der Akzeptanz von Fehlern.
Wir als Mütter wissen doch am besten, wie wichtig es ist, unseren Kindern den Rücken zu stärken und ihnen Mut zu machen. Gerade beim Sprachenlernen ist es entscheidend, eine positive Lernatmosphäre zu schaffen, in der Fehler erlaubt sind und Fortschritte gefeiert werden. Denn nur so können unsere Kinder ihr volles Potenzial entfalten und sich zu selbstbewussten und kompetenten Sprachlernenden entwickeln.
Selbstbewusstsein stärken: Fehler sind Freunde
Professor Peter Nelde, Leiter des „Forschungszentrums Mehrsprachigkeit“ der Katholischen Universität Brüssel, bringt es auf den Punkt: „Eines der größten Probleme beim Sprachenlernen ist die Sorge, sich zu blamieren.“ Diese Sorge kann die wichtige fehlerbehaftete Phase verhindern, die vor jedem neuen Können steht. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind lernt Fahrradfahren. Würden Sie erwarten, dass es sofort perfekt fährt, ohne hinzufallen? Natürlich nicht! Genauso ist es beim Sprachenlernen. Fehler sind Teil des Lernprozesses. Sie sind Chancen, zu lernen und sich zu verbessern.
Helfen Sie Ihrem Kind, den Peinlichkeitsfaktor zu senken, indem Sie eine positive und unterstützende Lernumgebung schaffen. Korrigieren Sie Fehler nicht im Sinne von „Das ist falsch, hör mir mal zu, wie man das ausspricht …“, sondern wiederholen Sie das Wort oder den Satz einfach richtig ausgesprochen. Und loben Sie Ihr Kind für seine Bemühungen, auch wenn es noch nicht perfekt ist. Moderne Lernsoftware-Programme können ebenfalls helfen, den Peinlichkeitsfaktor zu senken, da sie das Üben unter Ausschluss der Öffentlichkeit ermöglichen. Und vergessen Sie nicht: Auch Sie können Ihrem Kind ein Vorbild sein, indem Sie selbst eine neue Sprache lernen oder Ihre eigenen Sprachkenntnisse auffrischen. Gemeinsames Lernen macht Spaß und stärkt die Bindung zwischen Ihnen und Ihrem Kind.
Motivation erhalten: Die Freude am Entdecken
Motivation ist der Treibstoff, der den Motor des Sprachenlernens am Laufen hält. Schülerinnen und Schüler, die die folgenden Sätze bejahen können, sind sicher motiviert:
- Ich lerne gern neue Wörter.
- Ich möchte mich gern mit Menschen aus anderen Ländern unterhalten.
- Ich finde es spannend, Filme und Bücher im Original zu verstehen.
- Ich möchte später einmal im Ausland arbeiten oder studieren.
Ermutigen Sie Ihr Kind, sich einen „keypal“ (Tastaturfreund) zu suchen, um die Sprache in der Praxis anzuwenden. Und vergessen Sie nicht: Sprachenlernen kann auch Spaß machen! Integrieren Sie Spiele, Musik und Filme in den Lernprozess. Oder planen Sie eine Reise in ein Land, in dem die Zielsprache gesprochen wird. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Finden Sie heraus, was Ihr Kind motiviert, und unterstützen Sie es dabei, seine Ziele zu erreichen.
Fazit: Sprachenlernen als Abenteuer
Sprachenlernen ist mehr als nur das Pauken von Vokabeln und Grammatik. Es ist eine Reise, ein Abenteuer, das die Tür zu neuen Kulturen, neuen Freundschaften und neuen Möglichkeiten öffnet. Als Karriere-Mütter haben wir die Chance, unseren Kindern diesen Weg zu ebnen, indem wir ihnen einen spielerischen und authentischen Zugang zu Fremdsprachen ermöglichen. Indem wir an ihr vorhandenes Wissen anknüpfen, ihnen „real books“ geben, ihre „silent period“ respektieren, ihr Selbstbewusstsein stärken und ihre Motivation aufrechterhalten, können wir ihnen helfen, zu selbstbewussten und kompetenten Sprachlernenden zu werden. Und wer weiß, vielleicht entdecken wir ja auch selbst die Freude am Sprachenlernen wieder und begeben uns gemeinsam mit unseren Kindern auf dieses spannende Abenteuer.
Eltern.de