In der Hektik des Alltags, zwischen Windeln wechseln, Kinder zum Sport fahren und dem Versuch, im Job nicht völlig unterzugehen, bleibt oft etwas Entscheidendes auf der Strecke: die Partnerschaft. Viele Mütter kennen das Gefühl, wenn die Kinder größer werden und die Beziehung in den sogenannten „goldenen“ Jahren angekommen ist, dass die Luft raus ist. Man mag sich, man respektiert sich, aber irgendwie funktioniert man nur noch zusammen. Ein Zustand, der nicht selten dazu führt, dass einer der Partner nach neuen Ufern sucht.
Wenn der Alltag zur Zerreißprobe wird
Die Geschichte von Katrin und Leo ist ein Paradebeispiel dafür, was in Partnerschaften zu kurz kommt, wenn Kinder da sind und der Alltag zur irren Zirkusnummer wird. Katrin, eine 40-jährige getrennt lebende Mutter, stürzte sich nach der Trennung in ein Abenteuer, um sich von der Traurigkeit abzulenken. Sie suchte nach Zerstreuung, Aufmerksamkeit und Aufregung, aber in kleinen Dosen, um den Alltag mit ihrem 6-jährigen Sohn nicht zu beeinträchtigen. Auf einer Dating-Plattform gab sie an, eine unverbindliche Affäre zu suchen und definitiv Single bleiben zu wollen. Ein Satz, der verheiratete Männer magisch anzog.
Leo hingegen, ein 46-jähriger verheirateter Vater von zwei Kindern, liebte seine Familie, verspürte aber gleichzeitig den erdrückenden Druck des Alltags. Corona mit Homeoffice und Homeschooling hatte die Familie an ihre Grenzen gebracht. Leo sehnte sich nach einem Freiraum, etwas nur für sich. In Katrin fand er eine Partnerin, bei der er alles andere ausblenden konnte. Eine kleine, geschützte Blase, in der es nur um sie beide ging. Es war wie ein Abtauchen in eine Zeit, in der sie noch keine Familien hatten und nicht so wahnsinnig viele Dinge auf dem Zettel.
Katrin und Leo trafen sich, um dem Hamsterrad des Alltags kurzzeitig zu entfliehen. Sie fanden Trost und Leidenschaft in einer Beziehung, die frei von den Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten war, die ihre jeweiligen Lebenssituationen mit sich brachten. Doch was sagt das über die moderne Ehe und die Herausforderungen, vor denen Paare mit Kindern stehen, wirklich aus?
Die Sehnsucht nach dem „Ich“
In einer Welt, in der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Königsdisziplin geworden ist, kämpfen viele Mütter und Väter mit der ständigen Überlastung. Die To-do-Listen scheinen endlos, die Nächte sind kurz, und die Zeit für sich selbst wird zur Mangelware. Kein Wunder, dass sich viele in ihren Beziehungen verlieren und die Sehnsucht nach dem eigenen „Ich“ immer größer wird. Die Bedürfnisse des Partners werden oft übersehen, und die Kommunikation bleibt auf der Strecke. So entstehen unaufhaltsam Gräben, die sich immer weiter vertiefen.
Die Paartherapeutin Friederike von Tiedemann betont, dass es für Paare in der Elternphase entscheidend ist, sich Inseln für ihre Paarbeziehung zu schaffen. Kleine Auszeiten, in denen sie als Paar ganz für sich allein sein können. Gemeinsam morgens in Ruhe einen Cappuccino trinken, sich intensiv umarmen, Berührungen im Alltag sind wichtig, um die emotionale Verbindung aufrecht zu erhalten. Auch Sex sollte nicht zu kurz kommen, selbst wenn er geplant sein muss. Es geht darum, Intimität Raum und Zeit einzuplanen, wenn Kinder da sind.
Es ist schlicht notwendig, für Intimität Raum und Zeit einzuplanen, wenn Kinder da sind.
Doch wie kann man diese Inseln der Zweisamkeit im stressigen Familienalltag schaffen? Wie kann man vermeiden, dass die Partnerschaft zur reinen Zweckgemeinschaft verkommt?
Strategien für mehr Zweisamkeit
Es gibt viele kleine und große Strategien, die Paaren helfen können, ihre Beziehung zu pflegen und die Leidenschaft am Leben zu erhalten. Hier sind einige Beispiele:
- Feste Date-Nights: Einmal pro Woche oder alle zwei Wochen einen Abend nur für sich einplanen. Ob Essen gehen, ins Kino oder einfach nur gemütlich zu Hause auf der Couch kuscheln – Hauptsache, man verbringt Zeit zu zweit und redet miteinander.
- Kleine Auszeiten im Alltag: Gemeinsam kochen, spazieren gehen oder ein Bad nehmen. Auch kleine Momente der Zweisamkeit können Wunder wirken.
- Offene Kommunikation: Über die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Ängste sprechen. Nur so kann man den Partner verstehen und gemeinsam Lösungen finden.
- Professionelle Hilfe: Wenn die Probleme zu groß werden, kann eine Paartherapie helfen, die Beziehung zu retten.
Wichtig ist, dass beide Partner bereit sind, an der Beziehung zu arbeiten und Kompromisse einzugehen. Denn eine glückliche Partnerschaft ist nicht selbstverständlich, sondern erfordert ständige Pflege und Aufmerksamkeit.
Die Geschichte von Katrin und Leo zeigt, dass es in festen Partnerschaften wichtig ist, sich selbst nicht zu vergessen und eigene Bedürfnisse zu erfüllen. Die Frage ist, ob dies nur durch heimliche Affären möglich ist, oder ob Paare auch innerhalb ihrer Beziehung Wege finden können, sich gegenseitig Wertschätzung und Aufmerksamkeit zu schenken und so die Leidenschaft am Leben zu erhalten. Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen.
Familienzusammenhalt und Wiederentdeckung der Partnerschaft
Die Rolle der Gesellschaft
Die Herausforderungen, vor denen Paare mit Kindern stehen, sind jedoch nicht nur individueller Natur, sondern haben auch gesellschaftliche Ursachen. Die hohen Erwartungen an Eltern, die mangelnde Unterstützung bei der Kinderbetreuung und die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf tragen dazu bei, dass viele Beziehungen unter dem Druck zusammenbrechen.
Hier ist die Politik gefordert, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um Familien zu entlasten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Dazu gehören beispielsweise der Ausbau der Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle und eine gerechtere Aufteilung der Familienarbeit.
Doch auch jeder Einzelne kann dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Indem man sich bewusst macht, welche Rollenbilder und Erwartungen die eigene Beziehung beeinflussen, und indem man sich aktiv für eine gleichberechtigte Partnerschaft einsetzt. Es ist an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen, um das Modell „Familie“ zukunftsfähig zu machen.
Fazit: Die Balance finden
Die Geschichte von Katrin und Leo mag auf den ersten Blick schockierend erscheinen, doch sie wirft ein Schlaglicht auf die Realität vieler Paare mit Kindern. Die Sehnsucht nach dem eigenen „Ich“, die Überlastung im Alltag und die fehlende Kommunikation können dazu führen, dass Beziehungen auseinanderdriften. Umso wichtiger ist es, dass Paare sich bewusst Zeit für ihre Partnerschaft nehmen, offen miteinander reden und sich gegenseitig Wertschätzung schenken. Nur so können sie die Balance zwischen Familie, Beruf und Zweisamkeit finden und die Leidenschaft am Leben erhalten. Es ist ein ständiger Balanceakt, aber einer, der sich lohnt, wenn man am Ende des Tages eine glückliche und erfüllte Beziehung führen kann.
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