Es war ein Abendessen wie viele andere, bis meine Tochter plötzlich verkündete: „Mama, ich bin asexuell.“ Ein Satz, der mich völlig unvorbereitet traf. Asexualität? Was genau bedeutet das? Ich fühlte mich hilflos, unwissend und ehrlich gesagt, ein wenig überfordert. Doch ich wusste, in diesem Moment zählte nur eines: für mein Kind da zu sein, es zu verstehen und zu unterstützen, egal was kommt.
Eine Welt voller Fragezeichen
Die erste Reaktion vieler Eltern, wenn ihr Kind sich als asexuell outet, ist oft Verwirrung. Was bedeutet es, keine sexuelle Anziehung zu empfinden? Ist das eine Phase? Kann man trotzdem eine erfüllte Beziehung führen? Die Fragen schwirrten auch in meinem Kopf herum. Ich begann zu recherchieren, las Artikel, sprach mit Freunden und suchte den Austausch in Online-Foren. Je mehr ich lernte, desto klarer wurde mir: Asexualität ist keine Krankheit, keine Störung und keine Entscheidung. Es ist eine sexuelle Orientierung, genauso wie Heterosexualität, Homosexualität oder Bisexualität.
Asexualität bedeutet, dass eine Person keine oder nur sehr wenig sexuelle Anziehung zu anderen Menschen empfindet. Das bedeutet aber nicht, dass asexuelle Menschen keine romantischen Gefühle haben können. Viele von ihnen wünschen sich eine liebevolle Partnerschaft, Zuneigung und Nähe – nur eben ohne den sexuellen Aspekt. Es gibt auch asexuelle Menschen, die aromantisch sind, das heißt, sie empfinden weder sexuelle noch romantische Anziehung.
Die Vielfalt innerhalb der Asexualität ist groß. Es gibt verschiedene Abstufungen und Bezeichnungen, wie zum Beispiel demisexuell (sexuelle Anziehung entsteht erst nach einer tiefen emotionalen Bindung) oder graysexuell (seltene oder nur schwache sexuelle Anziehung). Es ist wichtig, diese Vielfalt zu respektieren und anzuerkennen, dass es nicht die eine „richtige“ Art gibt, asexuell zu sein.
Der Schlüssel zur Unterstützung: Zuhören und Akzeptieren
Als Mutter möchte man natürlich alles richtig machen. Aber wie unterstützt man sein Kind am besten, wenn es sich als asexuell outet? Der wichtigste Schritt ist, zuzuhören. Gib deinem Kind den Raum, sich zu öffnen und seine Gefühle und Erfahrungen mit dir zu teilen. Versuche, dich in seine Lage zu versetzen und seine Perspektive zu verstehen. Vermeide es, seine Gefühle zu bagatellisieren oder in Frage zu stellen. Akzeptiere, dass es so ist, wie es ist, und dass seine sexuelle Orientierung ein Teil seiner Identität ist.
Es ist völlig normal, wenn du Fragen hast. Scheue dich nicht, diese zu stellen, aber achte darauf, respektvoll und einfühlsam zu sein. Informiere dich über Asexualität, lies Bücher, Artikel oder schau dir Videos an. Es gibt viele wertvolle Ressourcen, die dir helfen können, dein Wissen zu erweitern und Vorurteile abzubauen.
Ein liebevoller Moment
Denke daran, dass dein Kind möglicherweise Angst hat, abgelehnt oder nicht verstanden zu werden. Zeige ihm, dass du es liebst und unterstützt, egal was ist. Sei ein sicherer Hafen, in dem es offen über seine Gefühle sprechen kann, ohne Angst vor Verurteilung haben zu müssen.
Es geht nicht darum, Asexualität zu „heilen“ oder zu verändern. Es geht darum, die Vielfalt der menschlichen Erfahrung anzuerkennen und zu respektieren.
Es ist auch wichtig, deinem Kind zu vermitteln, dass es nicht allein ist. Es gibt viele andere asexuelle Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen. Unterstütze es dabei, Kontakt zu anderen Asexuellen zu knüpfen, sei es online oder in Selbsthilfegruppen. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann sehr wertvoll sein und ihm helfen, sich selbst besser zu verstehen und zu akzeptieren. Ermutige dein Kind, stolz auf seine Identität zu sein und sich nicht für seine Asexualität zu schämen.
Manchmal kann es hilfreich sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ein*e Therapeut*in oder Berater*in, der*die sich mit dem Thema Asexualität auskennt, kann sowohl deinem Kind als auch dir helfen, mit den Herausforderungen umzugehen und eine positive Einstellung zur Asexualität zu entwickeln. In einer solchen Beratung kann das Kind lernen, mit möglichen Vorurteilen umzugehen und ein starkes Selbstbewusstsein aufzubauen. Auch Eltern können von der Beratung profitieren, indem sie lernen, wie sie ihr Kind bestmöglich unterstützen können.
Mögliche Stolpersteine und wie man sie überwindet
Der Weg zur Akzeptanz und Unterstützung kann manchmal steinig sein. Es gibt einige häufige Missverständnisse und Vorurteile gegenüber Asexualität, die zu Konflikten führen können. Hier sind einige Beispiele und Tipps, wie man damit umgehen kann:
Missverständnis: Asexualität ist eine Phase.
Asexualität ist keine vorübergehende Phase, sondern eine feste sexuelle Orientierung. Es ist wichtig, dies zu akzeptieren und nicht darauf zu hoffen, dass sich die Gefühle deines Kindes ändern werden.
Missverständnis: Asexuelle Menschen sind beziehungsunfähig.
Asexuelle Menschen können genauso erfüllte Beziehungen führen wie sexuelle Menschen. Der Fokus liegt dabei oft auf emotionaler Nähe, Freundschaft und gemeinsamen Interessen.
Missverständnis: Asexualität ist das Ergebnis eines Traumas.
Asexualität ist keine Folge eines traumatischen Erlebnisses. Es ist eine natürliche Variation der menschlichen Sexualität.
Vorurteil: Asexuelle Menschen sind unglücklich.
Asexuelle Menschen können genauso glücklich und zufrieden sein wie sexuelle Menschen. Glück hängt nicht von der sexuellen Orientierung ab, sondern von anderen Faktoren wie Selbstakzeptanz, sozialen Beziehungen und Lebenszielen.
Es ist wichtig, diese Missverständnisse und Vorurteile aktiv anzugehen und aufzuklären. Sprich offen mit deinem Kind über seine Erfahrungen und Gefühle und unterstütze es dabei, sich gegen Diskriminierung und Stigmatisierung zu wehren. Teile dein Wissen mit anderen Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten, um das Bewusstsein für Asexualität zu erhöhen.
Bücher und Ressourcen für mehr Wissen
Um dein Wissen über Asexualität zu vertiefen und dein Kind bestmöglich zu unterstützen, können folgende Bücher und Ressourcen hilfreich sein:
- Loveless von Alice Oseman: Ein Jugendroman über die Entdeckung der Asexualität und die Bedeutung von Freundschaft und Selbstakzeptanz.
- Let’s Talk About Love von Claire Kann: Eine Geschichte über eine junge Frau, die sich als asexuell outet und ihren Weg zu Liebe und Akzeptanz findet.
- Not Your Backup von C.B. Lee: Ein spannendes Buch über eine asexuelle, aromantische Latina, die gegen korrupte Superhelden kämpft.
- Rick von Alex Gino: Ein Buch über einen Mittelschüler, der versucht herauszufinden, wer er ist, und dabei die Asexualität entdeckt.
Neben diesen Büchern gibt es auch zahlreiche Online-Ressourcen, wie zum Beispiel Websites, Blogs, Foren und Social-Media-Gruppen, die sich mit dem Thema Asexualität beschäftigen. Nutze diese Angebote, um dich zu informieren, dich mit anderen auszutauschen und dein Kind zu unterstützen.
Fazit: Asexualität verstehen und unterstützen
Asexualität ist ein wichtiger Teil der Vielfalt menschlicher Erfahrungen. Als Mutter eines asexuellen Kindes ist es deine Aufgabe, zuzuhören, zu lernen und zu akzeptieren. Dein Kind braucht deine Liebe und Unterstützung, um sich selbst anzunehmen und ein erfülltes Leben zu führen. Indem du dich informierst, Vorurteile abbaust und deinem Kind den Rücken stärkst, kannst du ihm helfen, stolz auf seine Identität zu sein und seinen eigenen Weg zu gehen.
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