Der Wecker klingelt. Nicht. Es ist das Kind, das ungeduldig am Bett steht und verkündet, dass es Hunger hat. Der Tag beginnt – wie so oft – nicht mit einem sanften Start, sondern mit einem Paukenschlag. Berufstätige Mütter kennen das: Das Jonglieren zwischen Job, Kindern und Haushalt ist eine Kunst, die viel mehr abverlangt als nur Multitasking-Fähigkeiten. Es ist ein Balanceakt auf einem Drahtseil, bei dem man ständig Gefahr läuft, abzustürzen. Aber es ist auch eine unglaublich erfüllende Aufgabe.
Die rosarote Brille zerbricht: Realität vs. Illusion
Viele Frauen, die vor der Geburt ihrer Kinder Karriere gemacht haben, stellen sich vor, dass sich nach der Elternzeit alles wie gewohnt fortsetzen lässt. Einjährige Babypause, danach zurück in den Vollzeitjob – so der Plan. Doch die Realität sieht oft anders aus. Plötzlich steht man vor Herausforderungen, die man sich vorher nicht vorstellen konnte. Die Arbeitswelt hält einige Überraschungen bereit, wenn man plötzlich nicht mehr nur Angestellte, sondern auch Mutter ist. Die Vorstellung, dass sich alles einfach so weitermachen lässt, ist oft eine Illusion, die schnell zerbricht.
Es beginnt schon damit, dass die Arbeitszeiten sich verändern. Der Feierabend um 17 Uhr ist plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein Luxus, den man sich nur selten leisten kann. Stattdessen hetzt man von der Arbeit zur Kita, kocht Abendessen, während ein Kind am Bein hängt und das andere Hausaufgaben macht. Die Care-Arbeit, die man neben dem Job leistet, ist oft anstrengender als jedes Projekt im Büro. Und sie endet eben nicht, wenn man selbst Feierabend hat. Sie geht weiter, bis die Kinder im Bett sind und man endlich selbst zur Ruhe kommen kann – wenn überhaupt.
Die unterschätzte Kunst der Mittagspause
Ein weiteres Phänomen, das viele berufstätige Mütter kennen: Die Mittagspause wird zur Mangelware. Während die Kollegen gemütlich in der Kantine sitzen oder einen Spaziergang machen, versucht man, schnell ein Käsebrot zwischen zwei Terminen zu essen oder erledigt noch ein paar private Angelegenheiten. Die Mittagspause wird zum Teil des Kind-Job-Kontinuums, in dem es kaum Zeit zum Durchatmen gibt. Dabei sind regelmäßige Pausen so wichtig, um neue Energie zu tanken und den Stress zu reduzieren. Es ist ein Akt der Selbstfürsorge, den man sich unbedingt gönnen sollte – auch wenn es manchmal schwerfällt.
Eine Freundin erzählte mir neulich, wie sie ihre Mittagspause nutzt, um einfach nur 15 Minuten in einem Park in der Nähe ihres Büros zu sitzen und die Sonne zu genießen. „Am Anfang kam ich mir total egoistisch vor“, sagte sie, „aber dann habe ich gemerkt, wie gut es mir tut. Ich bin danach viel entspannter und kann mich besser konzentrieren.“ Es sind oft die kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen.
Job-Wahrheiten
Der Wunsch nach mehr Zeit: Ein innerer Konflikt
Die Geburt eines Kindes wirft oft große Fragen auf. Wie soll unser Leben als Familie aussehen? Wie viel möchte ich arbeiten? Passt mein Job noch zu meinem Leben? Diese Fragen können zu einem inneren Konflikt führen, insbesondere bei Frauen, die ihren Beruf bisher als Teil ihrer Selbstverwirklichung gesehen haben. Plötzlich steht man vor der Entscheidung, ob man mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchte – auch wenn das bedeutet, beruflich zurückzustecken. Es ist eine schwierige Entscheidung, die jede Frau für sich selbst treffen muss. Es gibt kein Richtig oder Falsch, nur unterschiedliche Prioritäten.
Ich erinnere mich an eine Kollegin, die nach der Geburt ihres zweiten Kindes beschloss, ihre Arbeitszeit noch weiter zu reduzieren. „Ich habe gemerkt, dass ich die Zeit mit meinen Kindern einfach nicht verpassen will“, sagte sie. „Ich will sie aufwachsen sehen und an ihrem Leben teilhaben. Das ist mir wichtiger als Karriere zu machen.“ Es ist ein mutiger Schritt, der oft mit finanziellen Einbußen verbunden ist, aber für viele Mütter ist es die richtige Entscheidung.
„Elternschaft ist eine intensive Schulung in Organisation, Flexibilität und Resilienz – Fähigkeiten, die in jedem Unternehmen Gold wert sind.“
Wenn das Kind krank ist: Die Tücken der Realität
Auch wenn man fest entschlossen ist, nach der Elternzeit wieder in den Job einzusteigen, gibt es immer wieder unvorhergesehene Ereignisse, die den Plan durchkreuzen können. Ein Kita-Platz ist nicht garantiert, das Personal in der Kita ist unterbesetzt und das Kind ist ständig krank. Hand-Fuß-Mund, Läuse, Magen-Darm – die Liste der möglichen Erkrankungen ist lang. In solchen Situationen ist Flexibilität gefragt. Man muss improvisieren, um Kind und Job unter einen Hut zu bekommen. Zum Glück haben viele berufstätige Mütter ein gutes Netzwerk aus Familie, Freunden und Nachbarn, die im Notfall einspringen können. Aber auch das ist nicht immer selbstverständlich.
Eine Bekannte erzählte mir, wie sie einmal einen wichtigen Termin hatte, als ihr Kind plötzlich hohes Fieber bekam. „Ich habe alle meine Kontakte angerufen, aber niemand konnte einspringen“, sagte sie. „Ich musste den Termin absagen und mich um mein Kind kümmern. Das war natürlich ärgerlich, aber was sollte ich machen? Die Gesundheit meines Kindes geht vor.“ Es sind diese Momente, in denen man merkt, dass das Leben mit Kindern eben nicht immer planbar ist.
Die Teilzeitfalle: Ein gesellschaftliches Problem
Es ist nach wie vor Realität, dass die meisten Mütter in Teilzeit arbeiten, während die Väter in Vollzeit beschäftigt sind. Das führt oft dazu, dass die Frauen beruflich zurückstecken und weniger verdienen. Die gleichberechtigte Elternschaft, in der sich beide Elternteile Erwerbs- und Care-Arbeit fair aufteilen, ist noch lange nicht erreicht. Das ist nicht nur ein Problem für die Frauen selbst, sondern auch für die Gesellschaft. Denn es bedeutet, dass das Potenzial von vielen gut ausgebildeten Frauen nicht voll ausgeschöpft wird. Es braucht ein Umdenken in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile zu verbessern.
Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2022 über neun Millionen Frauen in Teilzeit beschäftigt, aber nur rund zweieinhalb Millionen Männer. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Teilzeitfalle nach wie vor existiert. Es ist wichtig, dass sich Paare offen über ihre Vorstellungen und Wünsche austauschen und gemeinsam eine Lösung finden, die für beide passt. Aber es ist auch wichtig, dass die Politik die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass eine gleichberechtigte Aufteilung der Erwerbs- und Care-Arbeit möglich ist.
Verschobene Prioritäten: Eine neue Perspektive
Mit Kindern verändern sich nicht nur die Arbeitszeiten, sondern auch die Prioritäten. Plötzlich ist es wichtiger, pünktlich Feierabend zu machen, um das Kind aus der Kita abzuholen, als noch eine Stunde länger im Büro zu bleiben. Man lernt, effizienter zu arbeiten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Manchmal wird aus zermürbendem Perfektionismus ein leichteres Gut-genug. Ewiges Zerdenken wird zum Mut, einfach zu machen. Statt jeden Termin mitzunehmen, kann man plötzlich klar priorisieren. Statt einfach alles für den Job zu geben, setzt man beherzt Grenzen. Diese Veränderungen können sehr befreiend sein und zu einer neuen Perspektive auf das Leben führen.
Eine andere Freundin, die als Anwältin arbeitet, erzählte mir, wie sie nach der Geburt ihres Sohnes gelernt hat, ihre Zeit besser einzuteilen. „Früher habe ich oft bis spät in die Nacht gearbeitet“, sagte sie. „Heute versuche ich, alles während meiner Arbeitszeit zu erledigen, damit ich abends Zeit für meine Familie habe. Ich bin viel effizienter geworden und habe gelernt, Prioritäten zu setzen.“ Es ist erstaunlich, wie viel man schaffen kann, wenn man sich auf das Wesentliche konzentriert.
Das schlechte Gewissen: Ein ständiger Begleiter
Trotz all der positiven Veränderungen gibt es einen neuen Begleiter, auf den wohl alle berufstätigen Mütter gerne verzichten würden: das schlechte Gewissen. Das schlechte Gewissen, pünktlich den Stift fallen zu lassen, weil das Kind aus der Betreuung abgeholt werden muss. Das schlechte Gewissen, dass Kollegen einspringen müssen, weil man zum dritten Mal diesen Monat das Fieberkind wiegt statt an der Präsentation zu arbeiten. Das schlechte Gewissen nach einer schlaflosen Zahnungs-Nacht mit gefühlt nur zwei Gehirnzellen zu arbeiten. Das schlechte Gewissen ist ein ständiger Begleiter, der einem immer wieder ein schlechtes Gefühl gibt.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass dieses schlechte Gewissen oft unbegründet ist. Man leistet als berufstätige Mutter unglaublich viel und sollte sich nicht dafür schämen, wenn man nicht immer alles perfekt hinbekommt. Es ist in Ordnung, Fehler zu machen und sich Hilfe zu suchen. Es ist auch wichtig, sich selbst Pausen zu gönnen und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Denn nur wer gut für sich selbst sorgt, kann auch gut für andere sorgen.
Job-Superkräfte: Elternkompetenzen im Job
Eltern entwickeln zahlreiche Kompetenzen in der Bewältigung ihrer Familienaufgaben, die im Job wichtig sind wie Organisation, Prioritätensetzung, Flexibilität, Effizienz, Belastbarkeit, adressengerechte Kommunikation oder Perspektivenübernahme. Diese Kompetenzen sind wahnsinnig wertvoll für Unternehmen und sollten viel mehr honoriert werden. Denn berufstätige Eltern sind oft besonders motiviert, engagiert und lösungsorientiert. Sie wissen, wie man mit Stress umgeht und wie man auch unter schwierigen Bedingungen einen kühlen Kopf bewahrt.
Eine Studie des Work-Family-Instituts hat gezeigt, dass berufstätige Eltern oft bessere Führungskräfte sind als kinderlose Mitarbeiter. Sie sind empathischer, können besser delegieren und haben ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter. Es ist an der Zeit, dass Unternehmen diese Kompetenzen erkennen und wertschätzen. Denn berufstätige Eltern sind eine Bereicherung für jedes Team.
Fazit: Die Balance finden
Berufstätige Mütter stehen vor großen Herausforderungen, aber sie haben auch viele Stärken. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man nicht alles perfekt hinbekommen muss und dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen. Es ist auch wichtig, sich selbst Pausen zu gönnen und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Denn nur wer gut für sich selbst sorgt, kann auch gut für andere sorgen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Balanceakt, der viel Kraft und Energie erfordert. Aber es ist auch eine unglaublich erfüllende Aufgabe, die einem viele wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen vermittelt. Und wer weiß, vielleicht sind es ja gerade diese Erfahrungen, die einem im Job weiterhelfen und zu neuen Erfolgen führen.
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