In der Achterbahn des Familienlebens gibt es diese Momente, die uns Mütter besonders ins Grübeln bringen. Da strahlt unser kleiner Liebling uns an und ruft voller Inbrunst: „Papa, Papa, Papa!“ Und wir? Wir existieren in diesem Moment scheinbar nicht. Ein Stich ins Herz, ein kleines Fragezeichen, das sich unaufhaltsam im Kopf festsetzt: „Hat mein Kind Papa etwa lieber?“
Die Papa-Phase: Mehr als nur eine Vorliebe
Es ist ein Gefühl, das viele Mütter kennen: Der Nachwuchs klammert plötzlich nur noch am Vater, will von Mama nichts mehr wissen. Papa muss Zähne putzen, Papa muss vorlesen, Papa, Papa, Papa. Natürlich gibt es auch die umgekehrten Situationen, die Mama-Phasen, in denen der Papa in den Hintergrund rückt. Aber wenn es passiert, trifft es uns Mütter oft unvorbereitet und wir fragen uns, was wir falsch gemacht haben. Ist es nur eine Phase? Oder steckt mehr dahinter?
Die Wahrheit ist: Diese Präferenz für einen Elternteil ist meist völlig normal und hat oft entwicklungsbedingte Ursachen. Es bedeutet nicht, dass dein Kind dich weniger liebt oder dich nicht mehr braucht. Es ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass es sich entwickelt, die Welt entdeckt und unterschiedliche Beziehungen ausprobiert. Es ist, als würde dein Kind verschiedene Geschmacksrichtungen testen, um herauszufinden, was ihm am besten schmeckt – nur eben auf emotionaler Ebene.
Und ja, es kostet Überwindung, diese Papa-Phasen positiv zu sehen. Aber es gibt auch gute Seiten. Plötzlich ist da etwas Zeit für uns selbst, ein heißer Kaffee, ein entspanntes Bad. Kleine Inseln der Ruhe im oft turbulenten Alltag mit Kindern. Doch wie können wir als Mütter mit diesen Phasen umgehen, ohne uns zurückgesetzt oder gar eifersüchtig zu fühlen?
Herzliche Umarmung: Vater und Tochter teilen innigen Moment der Freude und Zuneigung.
Die Triangulierungsphase: Ein Blick in die kindliche Psyche
Um das Phänomen der Elternteil-Präferenz besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die sogenannte Triangulierungsphase. Dieser Begriff stammt aus der Psychoanalyse und beschreibt die Entwicklung des Kindes innerhalb des Beziehungsdreiecks von Mutter, Vater und Kind. In dieser Phase, die meist im Kleinkindalter beginnt, erweitert das Kind seinen Fokus von der primären Bezugsperson (oft die Mutter) auf beide Elternteile. Es beginnt, die unterschiedlichen Rollen, Eigenschaften und Interaktionsweisen von Mutter und Vater zu erkennen und zu erkunden.
Der Kinderpsychiater John Bowlby prägte in den 1950er Jahren die Bindungstheorie, die besagt, dass Kinder ein angeborenes Bedürfnis nach einer sicheren Bindungsperson haben. Diese Person bietet Schutz, Trost und Nähe. In den ersten Lebensmonaten ist dies meist die Mutter, bedingt durch Schwangerschaft, Geburt und Stillen. Doch je älter und selbstständiger das Kind wird, desto mehr rückt der Vater in den Fokus. Er wird interessant, weil er Dinge anders macht, weil er neue Perspektiven eröffnet und weil das Kind spürt, dass die enge Bindung zur Mutter stabil ist und es sich daraus lösen kann, um die Welt zu erkunden.
Dieser Ablösungsprozess ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Kindes. Es erweitert seinen Radius, gewinnt an Selbstständigkeit und lernt, Beziehungen zu gestalten. Jedes Kind durchläuft diese Phase auf seine eigene Weise. Manche Kinder lösen sich schneller, andere brauchen mehr Zeit. Und manche sind von heute auf morgen plötzlich ganz vernarrt in Papa.
Die Präferenz für einen Elternteil ist meist völlig normal und hat oft entwicklungsbedingte Ursachen. Es bedeutet nicht, dass dein Kind dich weniger liebt oder dich nicht mehr braucht.
5 Tipps für Mütter (und Väter) in der Präferenz-Phase
Auch wenn es rational erklärbar ist, kann es trotzdem schmerzhaft sein, wenn das eigene Kind plötzlich nur noch Papa will. Hier sind fünf Tipps, die helfen können, diese Phase besser zu meistern:
- Nutze die freie Zeit: Auch wenn es schwerfällt, versuche die neu gewonnene Zeit für dich zu nutzen. Ein entspannendes Bad, ein gutes Buch, ein Treffen mit Freunden – tu dir etwas Gutes und lade deine Batterien wieder auf.
- Schaffe exklusive Momente: Organisiere eine regelmäßige Aktivität, die nur du und dein Kind zusammen macht. Ein Besuch im Lieblingscafé, ein Ausflug in den Zoo, ein Bastelnachmittag – schaffe besondere Erinnerungen, die euch verbinden.
- Teilt euch die Aufgaben bewusst auf: Auch wenn dein Kind die Abendroutine lieber mit Papa macht, ist es wichtig, dass ihr euch als Eltern abwechselt. So vermeidet ihr, dass sich ein Elternteil zurückzieht und die Bindung zum Kind leidet.
- Atme tief durch: Mach dir bewusst, dass es eine Phase ist und sie vorbeigehen wird. Auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt, wird die Zeit kommen, in der dein Kind wieder deine Nähe sucht.
- Sprecht miteinander: Tauscht euch als Eltern aus, sprecht über eure Gefühle und Bedürfnisse. Gemeinsame Absprachen und ein gemeinsamer Fokus helfen, herausfordernde Situationen zu meistern.
Wenn die Eifersucht nagt: Was tun, wenn es wirklich weh tut?
Manchmal reicht es nicht, rational zu verstehen, dass es nur eine Phase ist. Manchmal nagt die Eifersucht, die Unsicherheit, das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Was tun, wenn es wirklich weh tut? Zunächst einmal: Sei ehrlich zu dir selbst und gestehe dir deine Gefühle ein. Es ist okay, traurig, enttäuscht oder wütend zu sein. Verdränge deine Gefühle nicht, sondern nimm sie an und versuche, sie zu verstehen.
Sprich mit deinem Partner über deine Gefühle. Erkläre ihm, wie du dich fühlst und was du brauchst. Vielleicht kann er dich mehr unterstützen, dir mehr Aufmerksamkeit schenken oder dir einfach nur zuhören. Wenn die Gefühle zu stark werden oder du das Gefühl hast, nicht mehr weiterzukommen, scheue dich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Gespräch mit einem Therapeuten oder Coach kann dir helfen, deine Gefühle zu verarbeiten und neue Strategien im Umgang mit der Situation zu entwickeln.
Denke daran: Du bist eine tolle Mutter! Auch wenn dein Kind gerade Papa bevorzugt, liebt es dich trotzdem. Und auch wenn du es vielleicht nicht immer zeigst, bist du die wichtigste Bezugsperson in seinem Leben. Vertraue auf deine Stärken und genieße die Zeit, die du mit deinem Kind hast – egal, ob es gerade eine Papa- oder eine Mama-Phase ist.
Fazit: Die Papa-Phase als Chance
Die Papa-Phase, oder generell die Präferenz eines Elternteils, ist ein natürlicher Teil der kindlichen Entwicklung und bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Phasen nicht bedeuten, dass die Liebe des Kindes abnimmt, sondern vielmehr Ausdruck eines wachsenden Entdeckungsdrangs und der Entwicklung individueller Beziehungen innerhalb der Familie sind. Mütter, die sich in dieser Zeit zurückgesetzt fühlen, sollten sich bewusst machen, dass ihre Rolle weiterhin von zentraler Bedeutung ist und die entstehende freie Zeit für Selbstfürsorge und persönliche Interessen genutzt werden kann. Durch offene Kommunikation mit dem Partner, das Schaffen exklusiver Momente mit dem Kind und das bewusste Teilen der elterlichen Aufgaben lässt sich diese Phase nicht nur meistern, sondern auch als Chance begreifen, die Bindung innerhalb der Familie zu stärken und neue Perspektiven zu gewinnen.
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