Die Magie von Disney – ein Ort, der seit Generationen Kinder und Erwachsene gleichermaßen verzaubert. Doch in einer Welt, die sich ständig wandelt, stellt sich die Frage: Ist Disney World wirklich für alle Kinder gleichermaßen magisch? Gerade für queere und trans Kinder kann der Besuch im vermeintlich „glücklichsten Ort der Welt“ zu einer Achterbahn der Gefühle werden.
Ein Königreich voller Prinzessinnen und Prinzen?
Disney Parks sind bekannt für ihren außergewöhnlichen Kundenservice und die Liebe zum Detail. Walt Disney selbst begrüßte einst alle Besucher mit den Worten: „To all who come to this happy place, welcome.“ Doch die Realität sieht manchmal anders aus. Disney World, insbesondere aufgrund seiner Größe, kann für Kinder, die sich als transgender, nonbinär und/oder queer identifizieren, eine Herausforderung darstellen. Die allgegenwärtigen heteronormativen und cis-geprägten Themen rund um Prinzessinnen und Prinzen können überwältigend sein und sogar Trigger auslösen.
Die traditionelle Darstellung von Geschlechterrollen, die in vielen Disney-Filmen und -Attraktionen präsent ist, kann für Kinder, die sich außerhalb dieser Normen bewegen, eine Quelle der Irritation sein. Die ständige Konfrontation mit Prinzessinnen, die von Prinzen gerettet werden müssen, oder mit stereotypischen Darstellungen von Männlichkeit, kann das Gefühl verstärken, nicht dazuzugehören. Es ist wichtig, sich dieser potenziellen Herausforderungen bewusst zu sein und Strategien zu entwickeln, um sie zu bewältigen.
Die Magie der Selbstentfaltung
Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille. Für viele nicht-cis Kinder kann ein Besuch in Disney World eine unglaublich positive und gender-bestätigende Erfahrung sein. Es bietet ihnen die Möglichkeit, sich ohne Sorgen auszudrücken, insbesondere wenn sie zu Hause oder in der Schule noch nicht offen mit ihrer Identität umgehen können. Hier können sie in eine Welt eintauchen, in der alles möglich scheint und in der sie so sein können, wie sie wirklich sind. Disney kann ein Ort sein, an dem Kinder, die sich im Übergang befinden oder sich noch nicht getraut haben, diesen Schritt zu gehen, die Freiheit finden, ihre wahre Persönlichkeit zu zeigen. Die Akzeptanz und das Verständnis, das sie dort erfahren, können ihr Selbstvertrauen stärken und ihnen Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen.
Lucas Wehle, Mitbegründer von PFLAG St. Petersburg, betont:
Es kann für ein Kind mit vielfältiger Geschlechtsidentität sehr bedeutsam sein, zu wissen, dass es sich voll und ganz und mit der Unterstützung seiner Familie kleiden und präsentieren kann.
Diese Worte fassen die Hoffnung und das Potenzial zusammen, das in einem Disney-Besuch für queere und trans Kinder steckt. Es ist die Chance, eine bleibende, positive Erinnerung zu schaffen und das Selbstbewusstsein zu stärken.
Disney für alle: Hier können Kinder ihre Identität frei ausleben und unvergessliche Momente erleben.
Kostüme sind eine fantastische Möglichkeit für Kinder, ihre Persönlichkeit in Disney auszuleben. Kinder unter 13 Jahren dürfen sich von Kopf bis Fuß verkleiden – quasi Halloween jeden Tag! Und während der Mickey’s Not-So-Scary Halloween Party im Herbst dürfen sich sogar Erwachsene in Kostüme werfen. Diese Freiheit, in eine andere Rolle zu schlüpfen und sich als Lieblingscharakter zu präsentieren, kann für Kinder, die mit ihrer Geschlechtsidentität experimentieren, besonders wertvoll sein. Es bietet ihnen die Möglichkeit, sich auszuprobieren und herauszufinden, wie es sich anfühlt, anders wahrgenommen zu werden. Die Reaktionen der anderen Besucher und der Disney-Mitarbeiter sind in der Regel positiv und unterstützend, was das Selbstvertrauen der Kinder zusätzlich stärken kann.
Wehle erklärt:
„Sich als ein Charakter zu verkleiden, der möglicherweise ein anderes Geschlecht hat als das, dem das Kind bei der Geburt zugewiesen wurde, kann eine angenehme Gelegenheit sein, zu erforschen, wie es sich anfühlen könnte, als dieses Geschlecht gesehen zu werden.“
Für Eltern, die bereit sind, etwas mehr auszugeben, gibt es in der Bibbidi Bobbidi Boutique zauberhafte Makeovers. Hier können Kinder eine neue Frisur, Nagellack und viel Glitzer bekommen. Es gibt sogar Deluxe-Pakete mit königlichen Ballkleidern oder feschen Ritterkostümen. Das Geschlecht, das dem Kind bei der Geburt zugewiesen wurde, spielt dabei keine Rolle – jedes Kind kann hier seinen magischen Moment erleben. Die Mitarbeiter der Boutique sind darauf geschult, auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Kinder einzugehen und ihnen eine unvergessliche Erfahrung zu bereiten.
Aktivitäten für alle Geschlechter
Aydin Olson-Kennedy, Therapeut und Direktor des LA Gender Center, weist jedoch darauf hin, dass die Botschaften in Disney oft cis-heteronormativ geprägt sind. Dies kann dazu führen, dass sich trans und nonbinäre Kinder gezwungen sehen, gegen den Strom zu schwimmen, um ihre Identität zu finden. Es ist daher wichtig, sich bewusst für Aktivitäten zu entscheiden, die für alle Geschlechter gleichermaßen geeignet sind. Glücklicherweise gibt es in Disney World viele solcher Angebote.
Während das Magic Kingdom stark auf traditionelle Geschlechterrollen ausgerichtet ist, bieten die anderen Parks – EPCOT, Disney’s Hollywood Studios und Disney’s Animal Kingdom – eine geschlechtsneutralere Atmosphäre. Im Animal Kingdom können Kinder beispielsweise an den „Wilderness Explorers“ teilnehmen, genau wie im Film „Oben“. Dieses kostenlose Programm ermöglicht es den Teilnehmern, Abzeichen (Aufkleber) in ihrem Wildnis-Handbuch zu sammeln und so die Natur spielerisch zu entdecken.
Ein weiteres tolles Angebot ist die „Jedi Training: Trials of the Temple“ in den Hollywood Studios. Hier können Kinder unter der Anleitung eines Jedi-Meisters lernen, wie man ein Lichtschwert führt und die Macht einsetzt, um Darth Vader zu besiegen. Die Gruppen werden nicht nach Geschlecht getrennt, und die Kostüme – braune Jedi-Roben – sind für alle gleich. In wahrer „Star Wars“-Manier werden die Kinder als „Jünglinge“ oder „Padawane“ bezeichnet – beides geschlechtsneutrale Begriffe. Diese Aktivitäten ermöglichen es Kindern, sich auf ihre Fähigkeiten und Talente zu konzentrieren, anstatt auf ihr Geschlecht reduziert zu werden.
Interaktion mit Disney-Mitarbeitern
Einer der Aspekte, die Disney von anderen Themenparks unterscheidet, ist die Art und Weise, wie die Mitarbeiter mit den Kindern interagieren. Von den Drehkreuzen über den FastPass+-Eingang bis hin zum Fotografen auf der Main Street gibt es unzählige Kontaktpunkte, die darauf abzielen, den Besuch für jedes Kind zu etwas Besonderem zu machen. Sätze wie „Habt einen magischen Tag!“ oder „Hab einen schönen Tag, Prinzessin!“ sind allgegenwärtig. Während diese Interaktionen für Kinder, die sich bereits im Übergang befinden, sehr positiv sein können, können sie auch nach hinten losgehen, wenn ein Mitarbeiter das falsche Geschlecht verwendet. Wenn ein Mitarbeiter Ihr Kind fälschlicherweise als Prinz oder Prinzessin bezeichnet, sollten Sie ihn freundlich darauf hinweisen, welches Pronomen Sie bevorzugen. Der Begriff „königlicher Gast“ ist eine gute geschlechtsneutrale Alternative.
Eine weitere Möglichkeit, die Mitarbeiter auf die Geschlechtsidentität Ihres Kindes aufmerksam zu machen, sind die kostenlosen „Celebration Buttons“, die an jedem Gästeservice-Stand erhältlich sind. Wehle erklärt: „Die Mitarbeiter sind darauf geschult, auf diese Buttons zu achten. Sie sind eine einfache Möglichkeit, ihnen mitzuteilen, wie sie ein Trans-Kind korrekt ansprechen und häufiges Misgendering vermeiden können.“
Neben den Interaktionen mit den Mitarbeitern sollten Sie auch Treffen mit den Lieblingscharakteren Ihres Kindes einplanen. „Für Kinder, die möglicherweise einen neuen Namen ausprobieren oder ihr Geschlecht vollständiger zum Ausdruck bringen, ist ein Besuch in Disney World eine großartige Gelegenheit, sie zu ermutigen, sich den Charakteren mit ihrem neuen Namen oder ihren Pronomen vorzustellen“, so Wehle. Diese Begegnungen können für die Kinder sehr bestärkend sein und ihnen das Gefühl geben, gesehen und akzeptiert zu werden.
Ein Notfallplan für schwierige Situationen
Sollte Ihr Kind eine negative Erfahrung machen oder durch geschlechtsspezifische Themen ausgelöst werden, ist es wichtig, einen Plan zu haben, um aus diesen Situationen auszusteigen. Olson-Kennedy empfiehlt, einen ruhigen Ort aufzusuchen, an dem sich das Kind wohlfühlt. „Kinder können leicht überfordert sein, und wenn man den Energiefluss nicht unterbricht, explodiert er sozusagen“, warnt er. Es ist wichtig, dem Kind zu zeigen, dass seine Gefühle ernst genommen werden und dass es in Ordnung ist, sich zurückzuziehen, wenn es zu viel wird.
Der Plan sollte idealerweise nicht beinhalten, den Park zu verlassen, da dies dem Kind signalisieren könnte, dass seine Gefühle zu viel sind und es dafür bestraft wird. Stattdessen sollten Sie versuchen, eine positive Ablenkung zu finden oder einfach nur Zeit miteinander zu verbringen, um die Situation zu beruhigen.
Barrierefreiheit auf den Toiletten
Disney World verfügt zwar nicht über spezielle genderneutrale Toiletten, aber es gibt Einzelraum-Begleitertoiletten, die für Rollstuhlfahrer und ihre Betreuer konzipiert sind. Diese Toiletten sind nicht geschlechtsspezifisch und können von jedem genutzt werden, der sich in einer geschlechtsspezifischen Toilette unwohl fühlt. Mit der „My Disney Experience“-App können Sie ganz einfach die nächstgelegene Begleitertoilette finden. Diese Toiletten gibt es auch im Disney Springs Einkaufszentrum und in den Wasserparks Typhoon Lagoon und Blizzard Beach. Die Verfügbarkeit dieser geschlechtsneutralen Toiletten bietet eine wichtige Option für Kinder, die sich in traditionellen Toiletten unsicher fühlen.
Attraktionen, die man meiden sollte
Viele der Disney-Geschichten sind nach dem Muster Junge-Mädchen, Junge-Mädchen aufgebaut. Dies spiegelt sich auch in vielen Attraktionen wider. Die „Festival of Fantasy Parade“ am Nachmittag im Magic Kingdom ist ein regelrechtes Cis-Spektakel mit Tänzern, die in heterosexuellen Paaren auftreten, und vielen Prinzessinnen und Prinzen. Wenn Sie etwas weniger geschlechtsspezifisches suchen, sollten Sie die Parade auslassen und stattdessen die abendliche „Happily Ever After“-Feuerwerksshow besuchen. Die Geschichte ist sehr herzerwärmend und handelt davon, seine Träume zu verwirklichen und an sich selbst zu glauben.
Auch das „Beauty and the Beast“-Mitsingkonzert im französischen Pavillon in EPCOT sollte von Familien mit Transgender-Kindern gemieden werden. Die animierte Geschichte enthält einige problematische Wendungen, wie z. B. Le Fou, der als Witz ein Kleid trägt. Dies ist unsensibel, insbesondere für Transgender-Mädchen, und überraschend, da Disney Le Fou im Live-Action-Film von 2017 als LGBTQ+-Charakter eingeführt hat. Wenn dies der Lieblingsfilm Ihres Kindes ist, besuchen Sie stattdessen „Enchanted Tales With Belle“ im Magic Kingdom für eine interaktive Märchenstunde. Es ist wichtig, sich dieser potenziellen Trigger bewusst zu sein und Alternativen zu finden, die für Ihr Kind angenehmer sind.
Austausch mit Gleichgesinnten
Die „Gay Days“, ein inoffizielles Pride-Wochenende in Disney, zieht jedes Jahr über 50.000 Menschen in die Themenparks, die stolz ihre Identität zeigen und traditionell rote T-Shirts tragen. Für Eltern ist diese Veranstaltung eine großartige Möglichkeit, andere Eltern mit nicht-cis Kindern und andere LGBTQ+-Familien kennenzulernen. Für Kinder ist es eine Gelegenheit, eine ganze Gemeinschaft von Disney-Fans zu sehen, die sie unterstützen.
Auch außerhalb der „Gay Days“ gibt es viele Möglichkeiten, sich mit anderen Eltern zu vernetzen, die Disney mit nicht-cis Kindern besuchen. Soziale Medien sind eine großartige Plattform, um Gleichgesinnte zu finden und sich auszutauschen. Auf Instagram gibt es beispielsweise tolle Communities für Transgender- und Gender-Queer-Kinder, wie z. B. „Princess Boy Bounds“, die von den Müttern Jolene Vargas und Brittany Eason gegründet wurde. Beide Frauen haben Söhne, die Disney-Prinzessinnen lieben, und sie haben den Account als sicheren Ort geschaffen, um sich mit Fans zu verbinden und Geschlechterstereotypen in der Disney-Community aufzubrechen. Diese Gemeinschaften bieten eine wertvolle Unterstützung und die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen.
Vargas betont:
„Es ist wichtig, dass sich jeder gesehen und einbezogen fühlt, besonders wenn man an einen Ort geht, der als magisch beschrieben wird.“
Eason fügt hinzu:
„Es ist noch wichtiger bei Kindern, weil wir achtsame, akzeptierende Kinder erziehen wollen und wir wollen, dass sie wissen, dass wir sie so lieben, wie sie sind, noch bevor sie ihre Gefühle äußern können.“
Fazit
Ein Besuch in Disney World kann für queere und trans Kinder eine magische und bestärkende Erfahrung sein, aber es erfordert eine sorgfältige Planung und Vorbereitung. Indem Sie sich der potenziellen Herausforderungen bewusst sind, Aktivitäten auswählen, die für alle Geschlechter geeignet sind, und mit den Disney-Mitarbeitern kommunizieren, können Sie sicherstellen, dass Ihr Kind einen unvergesslichen und positiven Urlaub erlebt. Nutzen Sie die Möglichkeit, Kostüme zu tragen, um die Persönlichkeit Ihres Kindes zum Ausdruck zu bringen, und suchen Sie nach Gemeinschaften, die Unterstützung und Austausch bieten. Denken Sie daran, dass es wichtig ist, einen Notfallplan für schwierige Situationen zu haben und die Bedürfnisse Ihres Kindes jederzeit in den Vordergrund zu stellen. Mit der richtigen Herangehensweise kann Disney World zu einem Ort werden, an dem sich Ihr Kind frei entfalten und seine wahre Identität feiern kann.
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