Es ist ein bekanntes Szenario: Der Wecker klingelt, die Kinder müssen für die Schule fertig gemacht werden, Brotdosen wollen gepackt, Termine koordiniert und der Haushalt geschmissen werden. Und dann ist da ja auch noch der Job, der die berufliche Erfüllung und das dringend benötigte Einkommen sichert. Für viele Mütter ist dieser Spagat zwischen Familie und Beruf Alltag – ein Balanceakt, der oft an die eigenen Grenzen führt und die Frage aufwirft: Wer kümmert sich eigentlich um uns?
Die unsichtbare Last der Care-Arbeit
Die Realität sieht oft so aus, dass Mütter den Großteil der sogenannten Care-Arbeit übernehmen. Das bedeutet, sie sind hauptsächlich für die Kinderbetreuung, den Haushalt und die Organisation des Familienlebens zuständig. Väter engagieren sich zwar zunehmend, aber die Hauptlast liegt meist immer noch auf den Schultern der Mütter. Studien zeigen, dass Mütter mit kleinen Kindern im Durchschnitt über zehn Stunden täglich mit Sorgearbeit beschäftigt sind, während es bei Vätern etwa vier Stunden sind. Eine enorme Differenz, die sich über Jahre hinweg summiert und weitreichende Folgen hat.
Diese ungleiche Verteilung der Care-Arbeit führt nicht nur zu einer enormen körperlichen und psychischen Belastung der Mütter, sondern auch zu finanziellen Nachteilen. Viele Mütter reduzieren ihre Arbeitszeit oder nehmen gar keine bezahlte Arbeit auf, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Das führt zu geringeren Einkommen, niedrigeren Rentenansprüchen und einer größeren finanziellen Abhängigkeit vom Partner. Ein Teufelskreis, der sich oft erst im Alter bemerkbar macht, wenn die Altersarmut droht.
Neuer Blick auf Carearbeit: Warum Mütter mehr Wertschätzung verdienen
Das Ehegattensplitting als Stolperfalle
Ein weiterer Faktor, der die Ungleichheit verstärkt, ist das Ehegattensplitting. Dieses Steuermodell begünstigt oft die klassische Rollenverteilung, bei der ein Elternteil vollzeit arbeitet und der andere in Teilzeit oder gar nicht. Für viele Familien ist es finanziell attraktiver, wenn die Frau einen schlecht bezahlten Minijob annimmt, anstatt in ihrem gelernten Beruf in Teilzeit weiterzuarbeiten. Doch Minijobs sind eine Sackgasse. Sie bieten kaum Karrieremöglichkeiten, sind krisenanfällig und führen dazu, dass Frauen in der Zuverdienerinnen-Rolle gefangen bleiben. Sie schmeißen den Haushalt, betreuen die Kinder und pflegen später die kranken Eltern – alles Aufgaben, die in unserer Gesellschaft kaum Wertschätzung erfahren.
Es ist an der Zeit, dass wir die Sorgearbeit neu bewerten und endlich anerkennen, dass sie einen enormen Wert für unsere Gesellschaft hat. Denn ohne die unbezahlte Arbeit von Müttern und anderen pflegenden Angehörigen würde unser Wirtschaftssystem zusammenbrechen. Die Ökonomin Professor Uta Meier-Gräwe bringt es auf den Punkt:
Die nicht bezahlte Care-Arbeit in privaten Haushalten bildet die Basis unseres Wirtschaftssystems.
Die klassisch männliche Erwerbsbiografie – 40-Stunden-Vollzeit, ohne Unterbrechungen – funktioniert nur, weil sich ein anderer Mensch um die Versorgung der Kinder, die Pflege von Angehörigen, die Einkäufe und den Haushalt kümmert. Es ist höchste Zeit, dass wir diese Tatsache anerkennen und Maßnahmen ergreifen, um die Ungleichheit zu beseitigen.
Wie aber könnte eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit aussehen? Und welche Modelle gibt es, um Mütter finanziell zu entlasten und ihnen mehr Wertschätzung entgegenzubringen? Es gibt verschiedene Ansätze, die in den letzten Jahren diskutiert wurden und die wir uns genauer ansehen sollten.
Modelle für mehr Gerechtigkeit
Einige Aktivistinnen fordern seit den 1970er-Jahren, Hausarbeit zu entlohnen. Die Idee dahinter ist, dass Frauen, die den Laden zu Hause am Laufen halten, ein Gehalt in Form von Sozialleistungen und Kindergeld zustehen sollte. Was ein Preisschild trägt, hat in unserer Gesellschaft einen Wert, so die Logik dahinter. Frauen wären nicht länger vom Geld ihres Mannes abhängig und könnten auf Augenhöhe mit ihm agieren. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die befürchten, dass eine Bezahlung von Care-Arbeit die Ungleichheit eher verschärfen könnte. Die Soziologin Almut Peukert warnt davor, dass es wieder die Frauen wären, die zu Hause bleiben und für Mindestlohn die Familie versorgen, während die Männer Karriere machen.
Ein anderer Ansatz ist der Ausbau guter Kinderbetreuung. Wenn Eltern ihre Kinder nicht von morgens bis abends in Einrichtungen geben wollen, müssen die Väter mehr Verantwortung übernehmen. Der Schlüssel zu einer höheren Erwerbsbeteiligung der Mütter liegt in der Arbeitsreduktion der Väter, so der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2017. Die Mitglieder der Kommission schlagen unter anderem vor, im Anschluss an das Elterngeld eine Familienarbeitszeit einzuführen. Wenn Mama und Papa beide mit je 80 bis 90 Prozent in den Job zurückkehren, soll der Staat pro Kopf zwei Jahre lang ein Familiengeld zahlen. Klingt gut, aber ist das realistisch?
Das Optionszeitenmodell, das ein Team um die Soziologin Karin Jurczyk entwickelt hat, geht noch einen Schritt weiter. Es sieht vor, dass allen Menschen im Laufe ihres Erwerbslebens ein Zeitbudget von neun Jahren zur Verfügung stehen sollte, das sie – finanziell abgesichert – für die Betreuung eigener Kinder, die Pflege von nahestehenden Personen, Ehrenämter und für Weiterbildungen und zur Selbstsorge nutzen können. Diese Auszeiten sollen von Unternehmen und dem Staat finanziert werden. Ein radikaler Ansatz, der aber die Bedürfnisse von Familien in den Mittelpunkt stellt.
Die Rente im Blick behalten
Ein Thema, das Mütter oft verdrängen, ist die Altersvorsorge. Dabei ist es gerade für sie besonders wichtig, sich frühzeitig um ihre Rente zu kümmern. Denn aufgrund von Teilzeitarbeit, Minijobs und Erziehungszeiten haben Mütter oft deutlich geringere Rentenansprüche als Väter. Die Zahlen sind alarmierend: Viele Frauen haben später eine staatliche Rente von unter 400 Euro zu erwarten. Von diesem Geld kann man kaum leben, geschweige denn seinen Lebensstandard halten. Es ist daher unerlässlich, dass Mütter sich aktiv mit ihrer Altersvorsorge auseinandersetzen und Maßnahmen ergreifen, um ihre finanzielle Zukunft zu sichern.
Hier sind einige Tipps, die Mütter beherzigen sollten:
- Rentenausgleichsabkommen: Vereinbaren Sie mit Ihrem Partner ein Rentenausgleichsabkommen, wenn Sie sich hauptsächlich um die Kinder kümmern und nur einen Minijob ausüben. Ihr Partner zahlt dann in Ihre Rentenkasse ein.
- Rentenberatung: Vereinbaren Sie einen Termin bei einer Rentenberatung, um sich über Ihre Ansprüche und Möglichkeiten zu informieren.
- Sparen: Fangen Sie so früh wie möglich mit dem Sparen an, auch wenn es nur kleine Beträge sind. Jeder Euro zählt!
Es ist nie zu spät, um mit der Altersvorsorge zu beginnen. Je früher Sie anfangen, desto besser sind Ihre Chancen auf eine auskömmliche Rente. Und denken Sie daran: Ihre finanzielle Unabhängigkeit ist wichtig – nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Kinder.
App-Tipp und Lesestoff
Um ein besseres Gefühl für den Wert Ihrer Zeit zu bekommen, können Sie die kostenlose App „Who Cares“ nutzen. Mit dieser App können Sie stoppen, wie viel Zeit Sie mit Putzen, Kochen, Wäschewaschen oder Kinderbetreuung verbringen, und sich ausrechnen lassen, wie viel Geld Sie bei einer Bezahlung nach Mindest- oder Durchschnittslohn verdienen würden. Sehr erhellend!
Und wer noch mehr Inspiration und praktische Tipps sucht, dem sei das Buch „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ empfohlen. Die Autorin schildert auf unterhaltsame Weise, warum wir uns Sätze wie „Ich arbeite nicht, ich bin in Elternzeit“ sparen sollten und auch Mütter zu Hause ein Recht auf Feierabend haben.
Fazit: Mütter, eure Zeit ist mehr wert!
Es ist an der Zeit, dass wir Mütter mehr Wertschätzung entgegenbringen und ihre Leistungen für die Familie und die Gesellschaft anerkennen. Die unbezahlte Care-Arbeit, die sie leisten, ist von unschätzbarem Wert und bildet die Basis unseres Wirtschaftssystems. Wir müssen Strukturen schaffen, die es Müttern ermöglichen, gleichberechtigt am Erwerbsleben teilzunehmen, ohne dabei ihre Familie zu vernachlässigen. Dazu gehört der Ausbau guter Kinderbetreuung, eine faire Aufteilung der Care-Arbeit zwischen Müttern und Väter und eine Reform des Ehegattensplittings. Und vor allem müssen wir Mütter ermutigen, sich aktiv mit ihrer Altersvorsorge auseinanderzusetzen und ihre finanzielle Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Denn eure Zeit ist mehr wert!
Eltern.de