Sexualität nach der Geburt: Herausforderungen und Chancen

Die Ankunft eines Babys verändert alles – das ist eine Binsenweisheit. Doch wie tiefgreifend diese Veränderung wirklich ist, realisieren viele Paare erst, wenn sie mitten im Elterndasein stecken. Einer der Bereiche, der sich oft dramatisch wandelt, ist das Sexleben. Viele Mütter beschreiben ihren Körper nach der Geburt als fremd, müde und einfach nicht mehr sexy. Die hormonelle Achterbahnfahrt, der Schlafmangel und die schiere Erschöpfung können dazu führen, dass die Lust auf Sex komplett verschwindet. Doch es gibt auch die andere Seite: Frauen, die nach der Geburt eine neue, intensivere Sexualität entdecken. Lasst uns eintauchen in die komplexe Welt der Sexualität nach der Geburt – mit all ihren Herausforderungen und Überraschungen.

Warum die Libido Achterbahn fährt

Es ist völlig normal, dass die Libido nach der Geburt erst einmal in den Keller geht. Der Körper hat eine unglaubliche Leistung vollbracht, und die hormonelle Umstellung ist enorm. Nach der Geburt sinkt der Progesteronspiegel rapide ab, während gleichzeitig das Prolaktin hoch bleibt. Ein niedriger Östrogenspiegel und möglicherweise auch ein niedriger Dopaminspiegel können zusätzlich zu psychischen Auswirkungen wie Depressionen und einer verminderten Libido führen. Hinzu kommt die körperliche Erholung. Der Körper braucht Zeit, um sich von den Strapazen der Geburt zu erholen. Mögliche körperliche Veränderungen nach der Geburt sind:

  • Wundheilung
  • Gebärmutterrückbildung
  • Milchproduktion
  • Veränderungen des Beckenbodens

Besonders wenn es während der Geburt zu Verletzungen wie einem Dammriss, einer Episiotomie oder einer Beckenbodenschwäche gekommen ist, oder wenn ein Kaiserschnitt notwendig war, kann die Erholungsphase länger und schmerzhafter sein. Es ist ganz natürlich, wenn man sich in dieser Zeit nicht sexy fühlt. Und dann ist da noch das Thema Geburtstrauma. Studien zeigen, dass bis zu 45 % der Mütter ein Geburtstrauma erleben. Dabei muss es sich nicht immer um eine lebensbedrohliche Situation handeln. Auch wenn die Geburt nicht so verläuft, wie man es sich vorgestellt hat, kann das traumatisch sein. Ein Geburtstrauma kann den Alltag erheblich beeinträchtigen – und natürlich auch die Libido. Es ist wichtig, sich in diesem Fall professionelle Hilfe zu suchen. Eine Therapie kann helfen, das Trauma zu verarbeiten.

Es ist ein Balanceakt zwischen den Erwartungen, die die Gesellschaft an uns stellt, und den Bedürfnissen unseres Körpers. Viele Mütter fühlen sich unter Druck gesetzt, schnell wieder „die Alte“ zu sein – sowohl körperlich als auch sexuell. Aber es ist wichtig, sich selbst Zeit zu geben und auf den eigenen Körper zu hören. Es ist keine Schande, wenn die Lust auf Sex erst einmal nicht da ist. Das bedeutet nicht, dass etwas mit einem nicht stimmt. Es bedeutet nur, dass der Körper Zeit braucht, um sich zu erholen und die Seele Zeit braucht, um das Erlebte zu verarbeiten.

Wenn Sex plötzlich besser ist

Klingt paradox, aber für manche Frauen wird Sex nach der Geburt sogar besser! Einige berichten von einem neuen, intensiveren Verlangen und einer tieferen Liebe zum Partner, nachdem sie die Geburt miterlebt oder selbst erfahren haben. Und es gibt auch körperliche Veränderungen, die das Sexleben positiv beeinflussen können. So können die Sinneswahrnehmungen nach der Geburt intensiver sein. Einige Frauen genießen die zusätzliche Sensibilität ihrer angeschwollenen Brüste während des Stillens, während andere berichten, dass Orgasmen zwar länger dauern können, die Empfindungen aber intensiver sind. Der Grund dafür könnte eine verstärkte Durchblutung während der Schwangerschaft sein, die zu einer erhöhten Empfindlichkeit des Genitalbereichs führt. Studien haben gezeigt, dass das Blutvolumen während der Schwangerschaft um durchschnittlich 45 % steigt.

Die Wiederentdeckung der eigenen Sexualität nach der Geburt bietet eine wunderbare Gelegenheit, sich selbst als sinnliches Wesen besser kennenzulernen und eine neue Ebene der Intimität mit dem Partner zu erreichen. Es ist eine Zeit des Experimentierens, des Ausprobierens und des Neuentdeckens. Es geht darum, herauszufinden, was sich gut anfühlt und was nicht. Und es geht darum, offen und ehrlich mit dem Partner darüber zu sprechen, was man sich wünscht und was man braucht. Es ist so wichtig, sich daran zu erinnern, dass jede Frau anders ist und dass es kein Richtig oder Falsch gibt, wenn es um Sexualität geht. Was für die eine Frau funktioniert, muss für die andere noch lange nicht passen. Es geht darum, den eigenen Weg zu finden und sich selbst treu zu bleiben.

Das Sexleben junger Eltern

Das Sexleben junger Eltern

Sexualität ist mehr als nur Geschlechtsverkehr – es ist eine Möglichkeit, sich mit sich selbst und dem Partner zu verbinden, Intimität zu erleben und Freude zu empfinden.

Sich im eigenen Körper wohlfühlen

Der Körper hat während der Schwangerschaft und nach der Geburt eine enorme Veränderung durchgemacht. Es ist wichtig, diesen neuen Körper anzunehmen und zu lieben – auch wenn es schwerfällt. Vergleiche dich nicht mit anderen. Die Medien sind voll von unrealistischen Schönheitsidealen, die oft ungesund sind. Akzeptiere deinen Körper so, wie er ist – mit all seinen vermeintlichen Makeln. Er hat etwas Wunderbares vollbracht: Er hat ein neues Leben erschaffen.

Sobald der Arzt grünes Licht gibt, ist es wichtig, sich wieder zu bewegen. Sport hilft, die Energie zu steigern, das Selbstvertrauen zu stärken und die sexuelle Gesundheit zu verbessern. Bewegung ist wie ein Jungbrunnen. Sie hilft dem Körper, das hormonelle Gleichgewicht zu halten, und sie hebt die Stimmung, weil sie Glückshormone freisetzt. Auch die sexuelle Flexibilität, die durch Sport entsteht, trägt zum Komfort und zur Freude am Sex bei. Und vergiss nicht die Selbstbefriedigung. Sie kann eine Möglichkeit sein, den eigenen Körper wieder kennenzulernen und herauszufinden, was sich gut anfühlt und was nicht. Es ist wichtig, sich diese Zeit für sich selbst zu nehmen und herauszufinden, was einem gefällt, bevor man wieder Sex mit dem Partner hat.

Es ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert. Es ist wichtig, sanft mit sich selbst umzugehen und sich nicht unter Druck zu setzen. Es ist in Ordnung, wenn es nicht sofort klappt. Es ist in Ordnung, wenn man sich erst einmal fremd im eigenen Körper fühlt. Es ist in Ordnung, wenn man Zeit braucht, um sich wieder sexuell zu fühlen. Das Wichtigste ist, dass man sich selbst erlaubt, diesen Prozess zu durchlaufen und sich nicht von äußeren Erwartungen unter Druck setzen lässt.

Unannehmlichkeiten überwinden

Auch wenn die Geburt problemlos verlaufen ist und der Arzt grünes Licht für Sex gegeben hat, kann Sex unangenehm sein. Narbengewebe kann Schmerzen verursachen und dazu führen, dass man Sex mit Angst angeht. Selbst wenn eine Episiotomie oder ein Dammriss verheilt ist, kann der Genitalbereich noch lange Zeit schmerzempfindlich sein. Nach einem Kaiserschnitt kann die Narbe am Bauch noch mehrere Monate lang empfindlich sein. Eine Studie hat gezeigt, dass auch ein Jahr nach der Geburt noch viele Frauen unter Schmerzen im Dammbereich leiden. Sprechen Sie offen mit Ihrem Partner über Ihre Bedenken. Beginnen Sie Ihr neues Sexleben mit sanften Berührungen, Küssen und Petting. Verwenden Sie Stellungen, bei denen Sie die Kontrolle über Winkel, Geschwindigkeit und Eindringtiefe haben.

Ein weiteres Problem kann vaginale Trockenheit sein. Nach der Geburt sinkt der Östrogenspiegel, was zu vaginaler Trockenheit führen kann – besonders wenn man stillt. Verwenden Sie daher immer ausreichend Gleitmittel. Und dann gibt es noch das Thema Milchfluss. Beim Stillen kann es beim Sex zu Milchfluss kommen. Das liegt daran, dass Nerven, Hormone und Emotionen eine Rolle beim Milchspendereflex spielen. Manche Frauen finden das aufregend, andere unangenehm. Ein Still-BH kann in den ersten Monaten helfen, den Milchfluss zu kontrollieren.

Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass diese Unannehmlichkeiten in der Regel vorübergehend sind. Mit der Zeit wird sich der Körper an die Veränderungen anpassen und die Beschwerden werden nachlassen. Es ist wichtig, geduldig zu sein und sich nicht entmutigen zu lassen. Mit der richtigen Pflege und Aufmerksamkeit kann man diese Herausforderungen überwinden und wieder ein erfülltes Sexleben genießen.

Offene Kommunikation ist der Schlüssel

Das Schwierigste ist oft das Gespräch über Sex – besonders für frischgebackene Eltern, die wenig Zeit für sich haben. Aber das Gespräch über Sex ist fast genauso wichtig wie der Sex selbst. Sprechen Sie offen und ehrlich mit Ihrem Partner darüber, wie sich Ihre sexuellen Bedürfnisse und Erwartungen durch das Kind verändert haben. Vergessen Sie nicht, dass auch Ihr Partner möglicherweise Probleme mit Ihrem neuen Sexleben hat. Beginnen Sie intime Gespräche mit offenen Fragen und bitten Sie Ihren Partner, seine Gefühle zu teilen. Wenn Ihnen das zu schwierig ist, schreiben Sie die Antworten auf ein Blatt Papier und tauschen Sie sie aus. Einige Beispiele für Fragen sind:

  • Was hat sich für dich seit der Geburt unseres Kindes verändert?
  • Was wünschst du dir von unserem Sexleben?
  • Was sind deine Ängste und Sorgen?

Wenn es zu einem Streitgespräch kommt, bleiben Sie klar und direkt. Verwenden Sie „Ich“-Aussagen wie „Ich fühle mich unsicher in meinem neuen Körper“ anstatt anklagende Worte. Und vor allem: Gehen Sie mit einer großzügigen Haltung in diese Gespräche. Versuchen Sie, die Situation aus der Perspektive des anderen zu sehen, um mehr Verständnis zu entwickeln.

Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Kommunikation ein fortlaufender Prozess ist. Es ist nicht etwas, das man einmal erledigt und dann abhakt. Es ist ein ständiges Austauschen von Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen. Indem man offen und ehrlich miteinander spricht, kann man eine tiefere Verbindung zueinander aufbauen und gemeinsam Lösungen finden, die für beide Partner funktionieren.

Das neue Sexleben annehmen

Eine der größten Veränderungen nach der Geburt ist die fehlende Spontaneität. Der lustvolle Sex auf dem Wohnzimmerboden, den man vor der Elternschaft genossen hat, ist jetzt eher selten. Wenn die Kinder im Bett sind, die Spülmaschine läuft und man endlich Zeit für sich hat, gewinnt oft der Schlaf. Einer der wichtigsten Schritte zu einem erfüllten Sexleben ist daher, sich Zeit dafür zu nehmen. Manche Paare planen Sex fest ein, aber das ist nicht die einzige Lösung. Hier sind einige weitere Ideen:

  • Nutzen Sie die Zeit, wenn die Kinder schlafen (Mittagsschlaf, frühes Zubettgehen).
  • Organisieren Sie eine Kinderbetreuung und verbringen Sie einen Abend zu zweit.
  • Seien Sie kreativ und finden Sie neue Orte und Zeiten für Sex.
  • Probieren Sie neue Dinge aus und entdecken Sie Ihre Sexualität neu.

Vergleichen Sie Ihr Sexleben nicht mit dem, was es vor dem Baby war. Betrachten Sie es nicht als Verlust, sondern als Chance, Ihre sexuelle Partnerschaft neu zu erfinden. Erkunden Sie andere Möglichkeiten, sich körperlich auszudrücken, wie Massagen, gemeinsame Schaumbäder oder sogar Teenie-Knutschsessions mit angezogenen Kleidern. Je mehr neue sexuelle Wege Sie gemeinsam beschreiten, desto mehr werden sich Ihre Gefühle für Ihren Körper und Ihre Einstellungen verändern. Ihre sexuelle Lust wird sich ständig im Wandel befinden. Aber Ihr Recht auf Lust ist unantastbar, und niemand kann dieses Recht so gut geltend machen wie Sie selbst.

Fazit

Das Sexleben nach der Geburt ist ein komplexes und vielschichtiges Thema. Es ist wichtig, sich selbst Zeit zu geben, den Körper anzunehmen, offen mit dem Partner zu kommunizieren und neue Wege zu finden, die Sexualität zu erleben. Es ist ein Prozess, der Geduld, Verständnis und Kreativität erfordert. Aber es ist auch eine Chance, sich selbst und den Partner neu kennenzulernen und eine tiefere, erfüllendere Beziehung aufzubauen. Jede Frau und jedes Paar erlebt diese Zeit anders. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern nur den eigenen Weg. Es geht darum, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht von äußeren Erwartungen unter Druck setzen zu lassen. Mit Offenheit, Ehrlichkeit und der Bereitschaft, neue Dinge auszuprobieren, kann man auch nach der Geburt ein erfülltes und lustvolles Sexleben genießen.

QUELLEN

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