Versagensgefühle als Mama: Wie du sie als Chance nutzen kannst

Es ist wieder passiert. Der Tag war lang, die Kinder quengelig, und dann – zack! – ist es rausgeplatzt. Ein genervter Ton, ein ungeduldiges Wort, vielleicht sogar ein lauterer Ausbruch. Und schon nagt es wieder, dieses Gefühl, versagt zu haben. Dieses nagende schlechte Gewissen, das so viele Mütter kennen. Aber was, wenn dieses Gefühl nicht nur ein Zeichen des Scheiterns ist, sondern auch ein Wegweiser zu persönlichem Wachstum und einer tieferen Verbindung zu den Kindern?

Die Achterbahn der Gefühle: Wenn Mama an ihre Grenzen stößt

Der Alltag mit Kindern ist wie eine wilde Achterbahnfahrt. Es gibt die strahlenden Momente voller Lachen, Umarmungen und unvergesslicher Erlebnisse. Aber es gibt eben auch die steilen Abfahrten, die Loopings aus Müdigkeit und Überforderung, die uns an unsere Grenzen bringen. In solchen Momenten ist es leicht, den liebevollen Elternteil zu vergessen, den man eigentlich sein möchte. Stattdessen reagiert man impulsiv, ungeduldig, vielleicht sogar ungerecht. Und hinterher? Hinterher kommt die Reue.

Viele Mütter kennen das Gefühl, in einer Endlosschleife aus schlechtem Gewissen gefangen zu sein. Man nimmt sich fest vor, geduldiger zu sein, liebevoller zu reagieren, die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen. Und dann, im nächsten Stressmoment, scheitert man wieder. Die Ansprüche an uns selbst sind oft so hoch, dass wir uns kaum erlauben, Fehler zu machen. Aber Perfektion ist eine Illusion, besonders im turbulenten Familienalltag. Und das Eingestehen von Fehlern ist der erste Schritt zur Besserung.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese „Versagensgefühle“ nicht bedeuten, dass man eine schlechte Mutter ist. Sie sind vielmehr ein Zeichen dafür, dass man sich Gedanken macht, dass man eine gute Beziehung zu seinen Kindern möchte. Sie sind ein Indikator dafür, dass man sich weiterentwickeln und lernen möchte. Aber wie kann man dieses schlechte Gewissen als Antrieb nutzen, anstatt sich davon lähmen zu lassen?

Selbstmitgefühl: Der Schlüssel zur Gelassenheit

Die Familienpsychologin Nina Grimm, Autorin des Buches „Hätte, müsste, sollte: Bedürfnisorientierung im Familienalltag wirklich leben“, betont die Bedeutung von Selbstmitgefühl. „Sind wir mal ehrlich – kein Elternteil WILL sein Kind anschreien“, sagt sie. „Wenn es passiert, dann häufig aus Erschöpfung oder aus Hilflosigkeit. Elternsein ist taff. Deswegen haben wir in solchen Momenten nichts anderes verdient als Mitgefühl. Wenn wir es schaffen, uns selbst gegenüber milde zu sein, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns entsprechend dem Kind zuwenden können.“

Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst wie einer guten Freundin zu begegnen. Würde man einer Freundin, die einen Fehler gemacht hat, Vorwürfe machen und sie verurteilen? Wohl kaum. Stattdessen würde man ihr zuhören, sie trösten und ihr Mut zusprechen. Genau das sollten wir auch uns selbst zugestehen. Akzeptieren, dass wir nicht perfekt sind, dass wir Fehler machen und dass das in Ordnung ist. Denn aus Fehlern können wir lernen und wachsen.

Es geht darum, die eigenen Grenzen zu erkennen und anzuerkennen. Niemand kann ständig Höchstleistungen erbringen. Jeder braucht Pausen, Zeit für sich selbst und die Möglichkeit, aufzutanken. Wenn wir uns selbst liebevoll behandeln, sind wir auch besser in der Lage, für unsere Kinder da zu sein.

„Schuld ist ein Gefängnis, das dich in der Vergangenheit hält. Schuld lähmt dich. Und mit Schuld ist niemandem gedient. Nutze die Schuld stattdessen als Motor dafür, dass dir dieser Fehler nicht noch einmal passiert.“

Die Wurzeln des Ärgers erkennen

Oftmals stecken hinter unseren Reaktionen auf die Kinder tieferliegende Ursachen. „Hinter diesen Schreimomenten stecken häufig festgefahrene Dynamiken und Muster: Es allen recht machen zu wollen, überhöhte Ansprüche an sich zu stellen oder ein kleiner Kontrollfreak zu sein – all das sind Strategien, die wir fahren, um einen alten Schmerz zu deckeln“, erklärt Nina Grimm. Diese Strategien sind meist unbewusst und zum Scheitern verurteilt, sobald wir Kinder bekommen.

Wer kann es noch allen recht machen, wenn er Kinder hat? Wenn unsere alten Strategien nicht mehr greifen, werden wir potenziell mit alten Schmerzpunkten konfrontiert. Das tut so weh, dass wir sie lieber mit sogenannten Sekundärgefühlen wie Wut deckeln. Um wirklich nachhaltig von der Theorie in die Praxis zu kommen, dürfen Eltern also ihre alten Dynamiken erkennen und sich darin üben, sie zu durchbrechen. Dann können sie auch wieder klar auf ihr Kind, auf dessen Dynamik, und auf die Situation blicken – und so erkennen, was es jetzt gerade wirklich braucht.

Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen: Was hat diesen Ausbruch ausgelöst? Welche Bedürfnisse wurden in diesem Moment nicht erfüllt? War es Übermüdung, Stress im Job oder ein Gefühl der Überforderung? Wenn wir die Ursachen erkennen, können wir gezielt daran arbeiten, diese in Zukunft zu vermeiden.

Vergebung: Ein Geschenk an uns selbst

Vergebung ist ein wichtiger Schritt, um mit Versagensgefühlen umzugehen. Nicht nur den Kindern gegenüber, sondern vor allem sich selbst gegenüber. „Auch als Eltern sind wir Menschen. Und Menschen machen Fehler“, betont Nina Grimm. „Aus dem richtigen Blickwinkel sind das immer Chancen. Und die können wir beginnen zu nutzen, wenn wir es uns zusprechen, dass wir jeden Tag dazulernen – eben dank der Fehler.“

Vergebung bedeutet nicht, das eigene Verhalten zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Es bedeutet, zu akzeptieren, dass es passiert ist, daraus zu lernen und nach vorne zu schauen. Es bedeutet, sich selbst die Erlaubnis zu geben, Fehler zu machen und trotzdem ein guter Mensch zu sein. Es ist ein Akt der Selbstliebe, der uns von der Last des schlechten Gewissens befreit und uns Raum gibt für positive Veränderungen.

Eine Möglichkeit, sich selbst zu vergeben, ist, sich bewusst zu machen, dass man in dieser Situation sein Bestmögliches gegeben hat. Hatte man die Absicht, dem Kind zu schaden? Wahrscheinlich nicht. Man war überfordert, müde oder gestresst. Aber man hat nicht absichtlich gehandelt. Und das ist ein wichtiger Unterschied.

Eine erschöpfte Mutter liegt inmitten von Spielzeug auf dem Boden

Überforderung meistern: Eine Person, bekleidet mit einem gelben Pullover, liegt auf dem Boden, umgeben von Spielzeug-Erinnerungen.

Prioritäten setzen und Ansprüche überprüfen

Im stressigen Familienalltag gehen die schönen Vorhaben, die man sich für eine harmonische Beziehung zum Kind vorgenommen hat, oft unter. Was also tun? „Prioritäten setzen“, rät Nina Grimm. „Eine einfache, aber klare Prioritätenliste gibt mir im Chaos immer Halt und Orientierung, was jetzt wirklich wichtig ist. Schreibe dir dafür alle aktuell relevanten Lebensbereiche auf. Familie, Job, aktuelle Projekte, größere und kleinere, Freunde, Hobbys…. Und dann bring das in eine Hierarchie.“

Wenn dann alles durcheinander und drunter und drüber geht – frage dich: Was ist Prio 1? Und dann wende dich genau dem mit gutem Gewissen zu. Das darf sich auch ändern. Manchmal ist ein aktuelles Projekt Prio 1. Damit wirst du nicht zu einer schlechten Mutter oder einem schlechten Vater. Und ganz wichtig: Checke deine Ansprüche, die du an dich stellst. Allein die Tatsache, dass du die Beziehung zu deinem Kind im Auge behalten willst, macht dich zu einer großartigen Mutter, einem wundervollen Vater.

Es ist wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und sich nicht mit anderen zu vergleichen. Jede Familie ist anders, und was für die eine funktioniert, muss nicht unbedingt für die andere gelten. Es geht darum, den eigenen Weg zu finden und sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Und vor allem darum, sich selbst nicht zu überfordern.

Die wichtigsten Punkte im Überblick: Dein Kompass für mehr Gelassenheit im Mama-Alltag

Hier sind einige konkrete Tipps, die Müttern helfen können, mit ihren Versagensgefühlen umzugehen und einen liebevolleren Umgang mit sich selbst und ihren Kindern zu pflegen:

  • Selbstmitgefühl üben: Sei freundlich und nachsichtig mit dir selbst. Akzeptiere, dass du nicht perfekt bist und Fehler machst.
  • Ursachenforschung betreiben: Identifiziere die Auslöser für deine Reaktionen. Welche Bedürfnisse wurden in diesem Moment nicht erfüllt?
  • Vergebung praktizieren: Vergib dir selbst und deinen Kindern. Akzeptiere, dass Fehler passieren und lerne daraus.
  • Prioritäten setzen: Definiere, was dir wirklich wichtig ist, und konzentriere dich darauf.
  • Ansprüche überprüfen: Setze dir realistische Ziele und vergleiche dich nicht mit anderen.
  • Selbstfürsorge betreiben: Nimm dir Zeit für dich selbst und tu Dinge, die dir guttun.
  • Unterstützung suchen: Sprich mit deinem Partner, Freunden oder einer Therapeutin über deine Gefühle.

Diese Tipps sind wie ein Kompass, der dir hilft, den richtigen Weg zu finden. Aber vergiss nicht: Es ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert. Sei nachsichtig mit dir selbst und feiere jeden kleinen Erfolg.

Fazit: Versagensgefühle als Chance nutzen

Versagensgefühle sind ein unangenehmer, aber unvermeidlicher Teil des Mutterseins. Anstatt sich von ihnen lähmen zu lassen, können wir sie als wertvolle Lektionen und Chancen für persönliches Wachstum nutzen. Selbstmitgefühl, Ursachenforschung, Vergebung, Prioritätensetzung und Selbstfürsorge sind wichtige Werkzeuge, um mit diesen Gefühlen umzugehen und eine liebevollere Beziehung zu uns selbst und unseren Kindern aufzubauen. Es ist ein fortlaufender Prozess, der Zeit und Geduld erfordert, aber die Mühe lohnt sich. Denn am Ende geht es darum, eine glückliche und erfüllte Mutter zu sein, die ihren Kindern mit Liebe und Verständnis begegnet – auch wenn sie mal einen Fehler macht.

QUELLEN

Eltern.de

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